Dr. h. c. Hans Sylvius von Aulock, Istanbul
Völlig überraschend traf Anfang Dezember 1980 in Europa die fast unfaßbare Nachricht ein, Dr. h. c. Hans von Aulock sei am 23. November 1980 in Anatolien mit seiner Frau einem schrecklichen Autounfall zum Opfer gefallen. Der Tod riß den wohl besten Kenner der kleinasiatischen Numismatik mitten aus einer intensiven wissenschaftlichen Schaffensperiode. Hans von Aulock wurde am 27. November 1906 als Sproß einer Adelsfamilie in Schlesien geboren. In den dreißiger Jahren trat er als Vorstandsassistent in die Dienste der Dresdener Bank in Berlin. Bereits 1941 wurde er zum Mitleiter der Filiale in Istanbul ernannt. Als sich die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland verschlechterten, zog er es 1944/45 vor, sich bei Eskişehir internieren zu lassen, da er wegen seiner aktiven Unterstützung jüdischer Landsleute bei seiner Rückkehr nach Deutschland Repressalien befürchten mußte. In diese Zeit fallen auch seine ersten Kontakte mit antiken Münzen, bot doch die Internierung keinen anderen Zeitvertreib als den täglichen Besuch des Basars von Eskişehir. Hier legte er den Grundstock zu seiner in späteren Jahren bedeutenden Sammlung kleinasiatischer antiker Münzen, veröffentlicht in 18 Bänden in den "Sylloge Nummorum Graecorum". Nach dem Krieg arbeitete der Verstorbene ab 1948 für eine türkische Bank und übernahm 1953 die Repräsentanz der Dresdener Bank in Istanbul, die er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1971 innehatte. Seine ganze Freizeit aber galt nur zwei Dingen: Seinen Münzen und der Jagd. Es ist für den Außenstehenden schwer zu sagen, welche der beiden Beschäftigungen er mit mehr Leidenschaft betrieb. Er konnte jedenfalls den Zuhörer in Bann schlagen, ob er nun den Verlauf einer Bärenjagd in den Karpaten schilderte oder über die Entdeckung einer neuen kleinasiatischen Münzstätte berichtete. In den fünfziger und sechziger Jahren baute er seine Münzsammlung kontinuierlich aus, bis sie am Ende seiner Sammlertätigkeit über 8000 Münzen aller Prägeperioden des antiken Kleinasien umfaßte. Sie dürfte die größte jemals zusammengetragene Privatsammlung dieser Art gewesen sein. Hans von Aulock war sich auch durchaus bewußt, mit seiner Freizeit und mit seinem Engagement etwas Bedeutendes und Dauerhaftes geschaffen zu haben, das der Nachwelt noch lange nach seinem Ableben von Nutzen sein werde. Bald genügte ihm die reine Sammlertätigkeit nicht mehr. So veranlaßte er ab 1957 die Veröffentlichung seiner Münzen in der Reihe der "Sylloge Nummorum Graecorum". Die "SNG von Aulock" ist heute ein nicht mehr wegzudenkendes Instrumentarium für jede Beschäftigung mit Kleinasien. Er selbst arbeitete ab Heft 7 (Karien) aktiv an diesem Unternehmen mit. Ab 1963 veröffentlichte er kleinere Studien zur kleinasiatischen Numismatik, oft gewachsen aus der Beschäftigung mit der "Sylloge". Das wissenschaftliche Werk beeindruckt nicht so sehr durch seinen Umfang als vielmehr durch seine klare Gliederung, durch die scharfsinnigen Beobachtungen am Material, durch die kritische Auswertung der Sekundärliteratur und durch das Ausloten der Primärquellen. Er eignete sich dazu - als Autodidakt, wie er selbst immer wieder stolz hervorhob - die Kenntnisse der klassischen Sprachen an. In den letzten Jahren begann er, ganze Münzlandschaften corpusmäßig zu erfassen, ein Unterfangen, das für Kleinasien seit den Zeiten des "Recueil Général" in den zwanziger Jahren fast gänzlich in Vergessenheit geraten war. Er gab der kleinasiatischen Numismatik aber nicht nur durch sein eigenes Schaffen die längst notwendigen Impulse, sondern auch durch seine Offenheit und Großzügigkeit gegenüber anderen Forschungsvorhaben. So hat der Verfasser dieser Zeilen selbst erlebt, wie er als junger Student über eine Woche lang die liebenswürdige Gastfreundschaft von H. von Aulock in seinem schönen Haus über dem Bosporus genießen durfte. Sein liberales und generöses Wesen öffnete ihm auch zum Nutzen der ganzen Wissenschaft und für seine eigenen Forschungen die sonst nicht selten schwer zugänglichen Tore der Münzkabinette in Ost und West. 1970 erhielt er von der Universität Frankfurt/M. den Ehrendoktorhut für sein Schaffen. Es ist zu hoffen, daß das von ihm wieder erschlossene Feld der kleinasiatischen Numismatik, im besonderen der kaiserzeitlichen Kolonialprägungen, weiterhin gepflegt wird. Zu hoffen bleibt auch, daß seine noch unvollendeten Projekte, ich denke an Phryggien II und III, in irgendeiner Form weiter- und zu Ende geführt werden. Zu wünschen wäre auch, gleichsam als Dank der Forschung an den Mann, der für unsere Wissenschaft Großes geleistet hat, wenn endlich der auch von ihm ersehnte Index-Band zur «Sylloge Hans von Aulock» erscheinen könnte. Bibliographie Hans von Aulock 1963 Die Münzprägung der kilikischen Stadt Mopsos, Archäologischer Anzeiger 1963, 231 ff. 1964 Die Prägung des Balakros in Kilikien. JNG 14, 1964, 79-82, Tf.5 1965 Balakros, Anadolu Arastirmalari. Jahrbuch für kleinasiatische Forschung 1-2 in memoriam H. Th. Bossert, 47 ff. 1967 Zur Silberprägung des karischen Stratonikeia. JNG 17, 1967, 7-15, Tf.1 1968 Kleinasiatische Münzstätten 1-3: Die vermeintliche Stadt Sebaste in Paphlagonien / Korynai in Jonien / Aizanoi. JNG 18, 1968, 43-48, Tf.3 Die römische Kolonie Germa in Galatien und ihre Münzprägung. Istanbuler Mitteilungen 18, 1968, 221 ff. 1969 Kleinasiatische Münzstätten 4-5: Kolbasa / Die Homonoia-Münzen von Mytilene. JNG 19, 1969, 79-88, Tf.6-8 1970 Kleinasiatische Münzstätten 6-7: Die römische Kolonie Komama in Pisidien / Berichtigung: Korynai in Ionien. JNG 20, 1970, 151-159, Tf.14-15 1971 Kleinasiatische Münzstätten 8-9: Die römische Kolonie Olbasa / Die römische Kolonie Germa in Kleinasien. JNG 21, 1971, 15-23, Tf.1-3 1972 Die römische Kolonie Lystra und ihre Münzen. Chiron 2, 1972, 509 ff. 1973 Kleinasiatische Münzstätten 10-11: Parlais in Pisidien / Nochmals zur römischen Kolonie Olbasa JNG 23, 1973, 7-18, Tf.1-2 1974 Die Münzprägung des Gordian III. und der Tranquillina in Lykien. Istanbuler Mitteilungen, Beiheft 11. Tübingen 1974. 91 S., 15 Bl. 1975 Eine neue kleinasiatische Münzstätte: Pedasa (Pidasa) bei Milet. JNG 25, 1975, 123-128 1976 Münzen und Städte Lykaoniens. Istanbuler Mitteilungen, Beiheft 16. Tübingen 1976. 95, 12 S. 1977 Münzen und Städte Pisidiens, Teil 1. Istanbuler Mitteilungen, Beiheft 19. 138, 36 S. 1979 Münzen und Städte Pisidiens, Teil 2. Istanbuler Mitteilungen, Beiheft 22. 186, 52 S. Zur Münzprägung von Aizanoi. In: Rudolf Naumann, Der Zeustempel von Aizanoi, DAI, Denkmäler antiker Architektur 12 1980 Münzen und Städte Phrygiens, Teil 1. Istanbuler Mitteilungen, Beiheft 25. 155, 30 S. Posthum: Sylloge nummorum Graecorum. Sammlung v. Aulock. Index. Berlin 1981. 268 S. (1987) Münzen und Städte Phrygiens, Teil 2. Istanbuler Mitteilungen, Beiheft 27. Tübingen 1987. 145, 44 S.
Ab Heft 7 (Karien, 1962) bis Heft 18 (1968) aktive Beteiligung an der "Sylloge Nummorum Graecorum, Sammlung Hans von Aulock".
Zur Sammlung von Hans Aulock Osten, Hans Henning von der: Altorientalische Siegelsteine der Sammlung Hans Silvius von Aulock. (Studia ethnographica Upsaliensia 13. Uppsala 1957. 234 S.) Sylloge Nummorum Graecorum Deutschland, Sammlung v. Aulock: 18 Hefte mit 304 erläuterten Tafeln. Berlin 1957-1968.
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