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Kehr- (?) und Wendeprägung (?)
oder
seitenwendig (↑↑) und kopfwendig (↑↓)
oder am verständlichsten:
Gleich- (↑↑) und gegengerichtete (↑↓) Stempelstellung

aufbauend auf einen Beitrag von Lothar Schoenawa in moneytrend 11/1992 S.52


Mit diesen Begriffen wird die Stellung der Münzvorder- und -rückseite zueinander definiert. Erstaunlicherweise werden einfache Tatbestände gerne unanschaulich beschrieben, was zu Missverständnisse führt: Was unterscheidet Kehr- von Wendeprägung?

A) Kurt Jaeger (Die deutschen Münzen seit 1871, 15. Aufl., S.16) schreibt:
"Bei den deutschen Münzen ist 'oben' auf beiden Seiten an der gleichen Stelle (Kehrprägung, auch 'deutsche Prägung' genannt). Bei den Münzen der lateinischen Münzunion sind die Stempel dagegen um 180° verdreht (Wendeprägung oder auch 'französische Prägung'). Häufig stimmt die Ausführung der Münzen mit dieser Regel nicht überein; dann liest man z. B. 'Stempeldrehung 20°'. Gelegentlich findet man auch bei deutschen Münzen Wendeprägung, wenn nämlich die Stempel beim Einsetzen in die Prägemaschine nicht richtig ausgerichtet worden sind. Bei der heutigen Massenfertigung kann ein solcher Fehler immer wieder vorkommen und rechtfertigt sicher nicht die häufig geforderten hohen Preise."

• Diese Definition vertritt auch Wikipedia:
"Münzen, die in transparenten Hüllen in Münzalben abgelegt sind, bleiben beim normalen Umblättern korrekt liegen, wenn sie in Kehrprägung hergestellt wurden, während Münzen mit Wendeprägung auf dem Kopf stehen."

• wie auch Peter 2012 im Numismatikforum:
"Bei der Kehrprägung muss man die Münze um ihre vertikale Achse (also nach links oder rechts) drehen, damit sowohl Vorder-, wie auch Rückseite richtig herum zu sehen sind. Bei einer Wendeprägung muss man die Münze um ihre horizontale Achse (also nach oben oder unten) drehen, damit sowohl Vorder-, wie auch Rückseite richtig herum zu sehen sind."

• sowie auch das Reppa-Lexikon unter Stempelstellung:
"... der Gebrauch der "unglücklich gewählten" Ausdrücke Kehr- und Wendeprägung ist nicht einheitlich. Jäger definiert die Kehr- oder Kehrtprägung so, dass ..." (siehe oben).

B) Genau entgegengesetzte Festlegungen trifft Hans Meyer:
"Um den Begriff 'Wendeprägung' deutlich zu machen, kann man auch sagen, dass sie [die Münze] gewendet werden muss wie eine Buchseite, die man ja auch wendet oder umwendet; wenn man dann die Rückseite richtig vor sich hat, dann ist es eine Wendeprägung, sonst eine Kehrprägung."

• sowie Hermann Krause (Numismatisches Wörterbuch, Battenberg 1971):
"Kehrprägung, die Prägung mit Vorderseite oben, gegenüberliegend die Rückseite unten; Wendeprägung, die Prägung der Vorderseite oben, gegenüberliegend die Rückseite oben."

C) Die Begriffe 'Kehr- und Wendeprägung' werden in nachfolgenden Zitaten tunlichst gemieden:

• Walter Holtz schreibt im Buch "Abkürzungen auf Münzen" (1972, S.107), zur Stempelstellung:
"Stellung der Vorder- und Rückseite zueinander. Entweder fällt das Kopfende der einen Seite mit dem Fussende der anderen zusammen, so dass die Münze über den Kopf gewendet die richtige Bildstellung ergibt - kopfwendige Stempelstellung -, oder die Kopfenden beider Münzenseiten fallen in einem Punkt zusammen, so dass die Münze über die Seite gewendet die für den Betrachter richtige Bildstellung ergibt - seitenwendige Stempelstellung -.
Bei römischen Münzen finden sich beide Arten der Stempelstellung, wenn auch die kopfwendige die ursprüngliche ist.
Kopfwendig sind Münzen z. B. von Frankreich, Italien, Schweiz, den USA, den Niederlanden und den ehemaligen französischen Kolonien. Seitenwendig sind solche von Deutschland, Österreich, Grossbritannien, Kanada, Rußland und Indien, um einige Beispiele zu nennen."

Lothar Schoenawa zieht daraus die Schlußfolgerung [mt 11/1992 S.52] :
"Damit liegen vier Erklärungen vor. Die Ausdrücke Kehrprägung und Wendeprägung sind von sich aus unklar und haben keine präzise Aussagekraft. Ist eine Kehre wirklich das Gegenteil von einer Wende? Ich kann die Ausdrücke kehren und wenden wie ich will, eine Klarheit ist nicht zu erreichen. Durchfahre ich eine Strassenkehre oder mache ich eine Kehrtwendung, drehe ich mich um 180°, und der Kopf bleibt oben. Schon im Wort "Kehrtwendung" sind beide Bezeichnungen kombiniert worden, so dass diese einzeln eigentlich nicht das Gegenteil ausdrücken können. Nehmen wir eine Buchseite als Vorbild, die man ja umwendet, so ist bei dieser Seite vorn und hinten jeweils oben. Jaeger bezeichnet dies aber als Kehrprägung.
Als Fazit ist feststellbar, dass die Ausdrücke Kehr- und Wendeprägung denkbar unglücklich gewählt sind und nicht mehr benutzt werden sollten.
Die Wortwahl bei Walter Holtz (kopfwendig und seitenwendig) ist zwar klar und eindeutig, leider werden diese Begriffe aber nirgends benutzt (nach der Devise, warum einfach und klar, wenn es auch kompliziert und unklar geht?). Wahrscheinlich ist aber, dass sich die Jaeger-Definition durchsetzen wird bzw. schon durchgesetzt hat, so dass sprachlich eindeutigere Formulierungen keine Chance haben, dagegen anzukommen."

Auch Gerhard Schön sah sich 2009 in einem Blog veranlasst, zu schreiben:
"Und ich würde empfehlen, die Begriffe 'Kehrprägung' und 'Wendeprägung' ganz zu vermeiden, weil 50% der Schriftsteller sie in genau der entgegengesetzten Bedeutung verwenden. Entsprechende Pfeile ↑↑ und ↑↓ geben die Stempelstellung viel anschaulicher und jedenfalls unmissverständlich wieder."

D) Den klassischen Lexika sind die irreführenden Begriffe 'Kehr- und Wendeprägung' unbekannt!
Sie schreiben zum Stichwort 'Stempelstellung':

• Friedrich v. Schrötter, Wörterbuch der Münzkunde:
"Stempelstellung: Für die antiken Münzen achtet man darauf, ob die Achse des Rs.-Stempels zu der des Vs.-Stempels irgendwie ausgerichtet ist, also zu ihr parallel oder senkrecht oder rechtwinklig steht, oder nicht. Eine bestimmte Stempelstellung zu erzielen war bei Hammerprägung nur bei sorgfältigem Aufpassen möglich, spätere mechanische Hilfsmittel erleichterten es (z. B. wenn das Stempelpaar in einer Flachzange saß. Bei Münz-Beschreibungen drückt man die Stempelstellung durch zwei Pfeile oder nur einen, die Achsenstellung der Rs. zeigenden Pfeil aus: z. B. ↑↓ oder nur ↓ zur Angabe, daß die Achse der Rs. zu der der Vs. genau verkehrt steht."

• Fengler/Gerhard/Unger, Lexikon der Numismatik (1976):
"Stempelstellung: Achsenlage des Stempelpaares bei der Münzprägung. Angestrebt wird eine genaue Parallelstellung beider Bildachsen zueinander bzw. ihre Versetzung um 180° (sog. französische Prägung, Gegensatz deutsche Prägung). Bei der älteren Münztechnik war eine Einhaltung der Bildachsenparallelität nur schwer zu erreichen [und ohne Interesse]. Mit der Einführung von Maschinen und mechanischen Hilfsmitteln konnte die Stempelstellung gleichbleibend eingehalten werden."

• Tyll Kroha, Grosses Lexikon der Numismatik (1997):
"Stempelstellung, die Stellung der Vs. und Rs. einer Münze zueinander. Noch bis zum 18. Jh. war die Stellung in manchen Staaten unregelmäßig, d. h., es war Zufall, wie die Prägestempel beim Münzen aufeinanderstanden. Seitdem sind die Stempelstellungen festgelegt. Deutsche Münzen, auch österreichische, jugoslawische, bulgarische. griechische u. a. werden in 'Kehrtwendung' geprägt, d. h., sie haben die gleiche senkrechte Stellung, wenn man sie von links nach rech umkehrt, wohingegen französische Münzen, auch schweizerische, italienische, türkische u. a. in Wendestellung geprägt werden, wobei dann die Seiten in senkrechter Stellung stehen, wenn man sie von oben nach unten umwendet. Fehler können durch falsches Einsetzen der Ober- und Unterstempel in die Prägemaschine entstehen."

Aus dem englischsprachigen Raum:

• Richard Doty, "The Macmillan Encyclopedic Dictionary of Numismatics" (London 1982):
"DIE AXIS: A term used to describe the relationship between the two sides of a coin. This is best demonstrated by the reader's examination of a coin taken from his or her pocket. Hold the coin between thumb and forefinger with the obverse held upright and toward you. Now rotate the coin between your fingertips, so that its reverse comes into view. You will see the reverse in one of two positions: inverted or upright. If the coin's reverse is inverted in relation to its obverse, the coin has a normal die axis. In numismatic writing, this is expressed with two arrows: ↑↓. The first arrow stands for the obverse, which is always considered upright and to which the reverse is compared - never the other way around. The second arrow stands for the orientation of the reverse in relation to the upright obverse. Another way to describe this is to say the coin has a reverse at six o'clock.
This is the die axis for much of the world's coinage, but other axes are possible. If your coin's reverse is upright in relation to the obverse, it has a medallic die axis (so designated because most medals are struck in this fashion). The arrow symbol is: ↑↑ (in words: reverse at twelve o'clock).
Ancient peoples were less concerned with die axes than we are. In many cases no attempt was made to control the relative positions of the upper and lower dies. In other instances a consistent die axis was intended, and while many coins show a rough orientation at the six o'clock or twelve o'clock positions, there were other arrangements as well. If you see a catalog reference to a die axis as ↑→ , it means that when the obverse is upright, the reverse is a quarter-turn to the right, or at three o'clock.
The die axis is primarily a researcher's tool, and is a useful way to provide information about a coin in abbreviated form."

Zusammengefasst:  normal US-coin = ↑↓ (revers at 6 o'clock)  /  medallic die axis = ↑↑ (rev. at 12 o'clock).

• Krause/Mishler, World-Coin-Katalog (2000 ed. p.23):
"COIN vs MEDAL ALIGNMENT: Coins are traditionally struck with obverse and reverse aligned at a rotation of 180 degrees from each other. When a coin is held for vertical viewing with the obverse design aligned upright and the index finger and thumb at the top and bottom, upon rotation from left to right for viewing the reverse, the latter will be upside down. Such alignment is called 'coin rotation'. Some coins are struck with the obverse and reverse designs mated on an alignment of zero or 360 degrees. If such a piece is held and rotated as described, the reverse will appear upright. This is the alignment which is generally observed in the striking of medals, and for that reason coins produced in this manner are termed to have been struck in 'medal rotation'. In some instances, usually through error, certain coin issues have been struck to both alignment standards, creating interesting collectible varieties which·will be found noted in some listing."
'Coin alignment' bzw. 'coin rotation' ist missverständlich und nicht selbsterklärend wie '180° rotation'.

Versteigerungskatalogen bieten gelegentlich die knappe und verständliche Uhrzeiger-Angabe
z.B. "3 h" bedeutet: wenn eine Münzseite nach oben gerichtet ist (12 h), zeigt die nicht gewendete andere Seite auf 3 h, d.h. ↑→ oder 90° Drehung.
Demnach also:
12 h = 0° Drehung = ↑↑ = gleichgerichtet   /   6 h = 180° Drehung = ↑↓ = gegengerichtet.



FAZIT:
1. Die modernen Wortschöpfungen 'Kehr- und Wendeprägungen' sind irreführend und überflüssig.
2. Mann sollte zwischen Münzen mit 'gleichgerichteten bzw. gegengerichteten' Seiten unterscheiden.
3. Gleichgerichtete Münzen/Medaillen lassen sich besser im Album mit durchsichtigen Taschen
    betrachten und an der Halskette tragen.
4. Früher waren die meisten Münzen nach französischen Vorbild gegengerichtet (↑↓). Aufrechte
    Münzbilder sieht man dann bei 'Wendung über Kopf'.
    Medaillen und EURO-Münzen sind gleichgerichtet (↑↑ wie früher die deutschen Münzen).
    Aufrechte Münzbilder sieht man dann bei 'Wendung zur Seite'.
5. Zwischenstellungen werden mit der Uhrzeiger- oder Drehwinkel-Angabe beschrieben.

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