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Herzog August der Jüngere und seine Glockentaler

Emil Grössel

Der Prägeherr
Es ist in der Münzgeschichte wohl einmalig, daß ein Prägeherr zum gleichen Grundmotiv nicht nur 7 verschiedene Stempel schneiden, sondern diese dann auch in einem Jahr in Taler ausprägen läßt, wie es sich im Jahr 1643 mit den "so berühmten Wolfenbüttelischen Glockentalern" ereignet hat. Bevor man aber diese Münzen näher betrachtet, sollte man das Leben des Münzherrn kennenlernen, da uns auch hier das Außergewöhnliche begegnet in einem Zeitenlauf, der fast alle Fürsten Mitteleuropas für Jahrzehnte hineinzieht in die blutigen Existenzkämpfe im und um den 30jährigen Krieg und ihre Kräfte verzehrt.
Herzog August der Jüngere von Braunschweig und Lüneburg hat sich in einem Leben von 87 Jahren dieser Epoche gestellt, fast ohne zum Schwert zu greifen, und führte seine Linie aus dem kleinen Landjunkersitz Hitzacker im 64. Lebensjahr in das Herzogsschloß Wolfenbüttel, nachdem er schon 10 Jahre regierender Herzog war. Mußten da nicht alle Glocken der alten Fürstenstadt läuten?
Geboren wird August am 10.4.1579 auf Schloß Dannenberg im Herzogtum Lüneburg. Sein Vater Henricus Julius, geboren 4.6.1533, gestorben 17.1.1598, verheiratet seit 1569 mit Ursula, der Tochter des Herzogs Franciscus zu Lauenburg, regiert ab 1569 in Dannenberg. Der Großvater ist Herzog Ernst zu Celle als 10. Glied in der Abstammung von Heinrich dem Löwen. Da August einen älteren Bruder Julius Ernst (1571-1636) hat, wird er das Erbe des Vaters nicht antreten können. Deshalb schicken ihn die Eltern schon mit 15 Jahren in die mütterliche Heimat auf die Universität Rostock. Damit beginnt ein Lebenslauf, der bald nicht mehr bestimmt wird von dem Willen der Eltern. Nach seiner 1595 beim Abschluß der ersten beiden Studienjahre vorgelegten, vorzüglich bewerteten Arbeit über das Thema, ob der Mensch das Böse aus freiem Willen begehe, beschließt der junge Fürst, sich ganz den Wissenschaften zu widmen. Nun beginnt eine für das Jahrhundert fast beispiellose Studien- und Wanderzeit, die ihn eigentlich auf einen Lehrstuhl und nicht auf einen Fürstenthron hätte führen müssen. Der Chronist Rehtmeier(1) hat diesen interessanten Bildungsweg in vielen Einzelheiten festgehalten:
Nach Rostock besucht der Prinz drei Jahre die Universität Tübingen. "Hier übte er sich sehr in alle dem, was von Wissenschaften, Sprachen und Künsten, auch Ritterlichen Exercitiis zu seinem Zweck dienen konnte." Am 18.10.1596 wählt ihn die Universität zum "Rectore Academiae Magnificentissimo", nachdem er sich durch zwei "gelehrte Orationes" von der Wichtigkeit und dem Nutzen der Gesetze ausgezeichnet hat(2). Er unterbricht sein Studium für kurze Zeit, als am 17.1.1598 sein Vater stirbt. Aber schon vier Wochen später belegt er in Straßburg das Studium Physicum, und "weil man aus dem Umgang großer Leute mehr profitiert, als aus der bloßen Theorie", entschließt er sich im Oktober, nach Italien zu reisen. Er besichtigt "die fürnemsten Örter des Landes", wird in Rom von Papst Clemens III. empfangen und fährt "alle Gefahr von denen streifenden Türckischen Seeräubern ungescheuet" nach Sizilien und Malta.
Im Jahr 1600 besucht er "auf der Retour in Deutschland viele große Potentaten", bevor er sich wieder in Tübingen und Straßburg einschreibt. Zwei Jahre später ist er schon wieder unterwegs. Über die "Spanischen Niederlande" kommt er nach Großbritannien, nimmt teil am 25.7.1603 an den Krönungsfeierlichkeiten von Jacob I., segelt anschließend nach Frankreich und hat sich in Paris "sowohl mit gelehrten Leuten bekanntgemacht, als auch den König Henricum IV. samt dessen Dauphin Ludovicum VIII. in hoher Person gesprochen".

Wo gibt es aus der Zeit nach der Hinrichtung Maria Stuarts 1587 und dem Untergang der Armada 1588 und während in Rom 1600 Giordano Bruno verbrannt wird und Rubens, Franz Hals und Hugo Grotius den Übergang zum Zeitalter des Barock künden einen Studiosus gleich diesem, der, hätte er ein Tagebuch geschrieben, uns heute mehr zu sagen hätte als seine sieben Glockentaler! Als August 1604 nach Dannenberg zurückkehrt, hat Julius Ernst kein Geld mehr für aufwendige Reisen seines Bruders und zahlt ihn aus mit dem Erbsitz in Stadt und Schloß Hitzacker. Und noch etwas vermittelt die Familie, um den Vaganten zu binden: Im Jahr 1607 heiratet August die fünf Jahre ältere Clara Maria von Pommern, verwitwete Herzogin von Mecklenburg, nachdem er 1605 noch einmal seine Freunde in Stuttgart und Straßburg besucht und auf der Heimreise in Cassel im Erbstreit zwischen Moritz und Georg vermittelt hat.
In Hitzacker baut er eine Bibliothek von 80000 Büchern auf, die er eigenhändig in vier Bänden "Regal-Folio" registriert. Er schreibt selbst in dieser schöpferischen Pause vier Bücher:

"Das vortreffliche Werck vom Schach- und Königs-Spiel"; "Reformatio Papatus"; "Von der geheimen Schreibkunst"; "Biblische Auslegung" in Zusammenarbeit mit Danielem Cramerum.

Zu dem dritten Buch berichtet die Chronik(3): " ... welches Sr. Kaiserlichen Majestät dermaßen wohlgefallen, daß sie folgendes Antwortschreiben, so noch schriftlich vorhanden, an Ihn ergehen lassen ... "
Bald rückt August auch wieder aus der Hitzacker-Abgeschiedenheit in das Zeitgeschehen. Schon 1609 verbringt er einige Zeit am kaiserlichen Hof in Prag bei Rudolf II. und besucht auf der Rückreise in Dresden Kurfürst Christian II. Am 24.6.1612 ist er Gast bei der Krönung des Kaisers Mathias in Frankfurt. Am 27.7.1613 hält er auf dem Reichstag zu Regensburg eine viel beachtete Rede zur Türkensteuer. Seine politische Tätigkeit findet bald besondere Anerkennung: Der Kaiser verleiht ihm 1620 das Lehen über das Fürstentum Grubenhagen. Hierdurch erwirbt er auch das Münzrecht, und schon läßt er seine erste Münze schlagen: einen guten Groschen, abgebildet in der Chronik(4). Im Jahr 1629 ist er Sprecher einer "hochansehnlichen Legation des Hochfürstlich Braunschweigisch Lüneburgischen Hauses" in Wien. Zwei Jahre später ernennt ihn der Kaiser zum Commissar, "um denen neu entstandenen Streitigkeiten der Kron Dennenmarck und der Stadt Hamburg eine abhelfliche Maß zu geben".
Als dann am 11.8.1634 sein Vetter Friedrich Ullrich als Regierender Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, ohne Erben zu hinerlassen, tödlich verunglückt und damit die mittlere Linie ausstirbt, bringt August mit seinem vielseitigen Wissen, seinen politischen Erfahrungen und seinen Beziehungen zum Kaiser und vielen deutschen Herrscherhäusern alle Voraussetzungen mit, um in dem sich anbahnenden Erbstreit zu siegen. Gleichberechtigt sind in "aequali gradu" sieben Fürsten: die beiden Dannenbergischen August der Jüngere und sein älterer Bruder Julius Ernst, die drei Cellischen August der Ältere, Fridericus und Georgius und schließlich die beiden Haarburgischen Otto und Wilhelmus.
Nachdem nun August der Ältere als postulierter Bischof zu Ratzeburg sofort nach dem Tod Friedrich Ullrichs sich Vorrechte anmaßt, treffen sich die sieben Vettern auf dem Amt Meinersen und erklären im Meinersenschen Receß(5) vom 5.9.1634 "... es solle einem jeden zu seinen Rechten ohn alles praejutitz und praerogativ ... geschehen". Trotzdem hört der Streit nicht auf. Die Cellischen versuchen, mit einer genealogischen Dokumentation ihre Ausgangsstellung zu verbessern. Aber hier begegnen sie bald dem durch seine Studien erfahreneren und gewandteren Prozeßführer August dem Jüngeren. Obwohl am 26.9.1634 seine zweite Frau Dorothea von Anhalt bei der siebten Geburt stirbt, findet er die Zeit, sich durch zwei geschickte Schachzüge in dem Erbstreit einen entscheidenden Vorsprung zu verschaffen.
Zunächst widerlegt er in einer "Schuz-Schrift", die auf Grund seiner Beziehungen auch in Wien gedruckt wird, die Argumente der Cellischen Vettern. Sodann schaltet er in einem Vergleich(6) am 6.3.1635 seinen älteren Bruder Julius Ernst in der Erbfolge aus, "weil er die Ruhe liebte, und sich bey denen damaligen drangseligen Zeiten sich nicht mit mehreren Sorgen beladen wollte". Nun kann er als alleiniger Vertreter des Dannenbergischen Hauses den zerstrittenen Vettern gegenübertreten. Er erzwingt am 14.12.1635 einen Successionsvergleich(7), "worin Herzoge Augusto das Wolfenbüttelsche Fürstentum mit allen Zubehörungen, der Zellischen Linie das Fürstenthum Kalenberg und der Haarburgischen die Grafschaft Hoja und Diepholz zu Theil worden".

Die Prägung der Glockentaler

Mit seiner am 13.7.1635 geheirateten dritten Frau Sophia Elisabeth von Mecklenburg beginnt August seine Regierung zunächst in Braunschweig, da Wolfenbüttel noch von kaiserlichen Truppen besetzt ist. Ab 1636 obliegt der herzoglichen Familie nun eine Wartezeit von sieben Jahren, die angefüllt sind mit endlosen Verhandlungen(8), da in Wien der neue, dem Herzog fern stehende Kaiser Ferdinand II. regiert. Und diese sieben Jahre geben den Anstoß, später die sieben Glockentaler zu prägen. Die kriegerischen und politischen Auseinandersetzungen dieser Schreckensperiode sind symbolisch für die Zerrissenheit und Handlungsunfähigkeit im Deutschen Reich während des 30jährigen Krieges.
Verantwortlich für ein großes Territorium, will der Herzog auch jetzt nicht zum Schwert greifen, sondern dem Kaiser ergeben bleiben. Lediglich "der beschriene Partey-Gänger und Rittmeister Levin Sander, sonst Nimmer- oder Immernüchtern genant", schlägt gleich dem grünen Jäger im Simplizissimus den kaiserlichen Besatzern Wunde auf Wunde. Erst als man die Oker staut und die ganze Stadt auf Wochen unter Wasser setzt, wird für die Kaiserlichen ein Verbleiben in Wolfenbüttel unmöglich.
Als sich dann Erzherzog Leopold Wilhelm und Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg einschalten, verlassen im September 1643 die Kaiserlichen Wolfenbüttel, Einbeck und Goslar. Während der Herzog am 14.9.1643 mit großem Gefolge in seine Hauptstadt einzieht, erklingen alle Glocken des Domes, und nun soll dieses Friedensgeläut durch sieben neu zu prägende Taler hinausgetragen werden in das ganze Land Brau nschweig-Lüneburg.
Die Kupfertafeln der Glockentaler bei Rehtmeier(9) und Köhler(10) lassen das Bildhafte der Münzen gut erkennen. Es genügt daher, das aufzugreifen, was fragwürdig erscheint. An den Deutungsversuchen haben sich seit der Prägung viele Laien und Numismatiker beteiligt. Erwähnenswert sind u. a. folgende Interpretationen:
Tenzel, Ernst Wilhelm, Monatliche Unterredungen 1693, S.575ff. und 1694, S.219;
Gosky, D. Martin, "Des Herzogs Leib-Medicus", Arbortet, S.265ff.;
Lehmann, P. A., Hamburgische Remarques, 1703, S. 1-41;
Schlegel, M. Christian, Biblia in Nummis, Jena 1703, S.200;
Köhler, Joh. David, Der Wöchentlichen Historischen MünzBelustigungen 18. Stück, 4.5.1729, S.137 ff.;
Molani, Gerh., Numophylacium, Zelle 1744, in 8;
Hartung, Joh. Heinrich, Thaler-Cabinet, Köln und Leipzig 1747, S. 394 ff.
Alle diese Betrachtungen aneinandergereiht würden ein Buch füllen. Wenn man sich aber auch hier auf Rehtmeier(11) beschränkt, bleibt zu den Glockentalern kaum eine Frage offen, zumal er die frühere Literatur heranzieht, heimatliche Kenntnis mitbringt und von dem kritischen Göttinger Professor Köhler(12) anerkannt wird.
Die Taler hat in Zellerfeld aus Harzer Silber der Münzmeister Heinrich Schlüter geschlagen und mit H. S. und seinem Wappen, zwei gekreuzten Schlüsseln, gezeichnet. Er wird von 1635 bis 1672 in Zellerfeld und Goslar genannt. Der Stempelschneider wird nirgends erwähnt, aber Erfinder der einzelnen Münzbilder auf den Glockentalern soll D. Jo. Valent. Andreae sein, "der des Herzogs geheimer Kirchen-Raht, und die meiste Anlaß zu dieser ganzen Invention gegeben". Über diese "Invention" hat Andreae auch das folgende Gedicht geschrieben:(13)
LANG GEWÜNSCHTER
FRÖLlCHER GLOCKEN-KLANG
Eine Glocke lang gezogen
Ohne Schwengel gibt kein Thon,
Guter Anschlag ohn vollzogen
Gibt der Arbeit schlechten Lohn.
Auch der Schwengel ohne Glock
Liegt vergebens auf dem Block,
Wird der Schwengel eingehenckt,
Denn die Glocke laut erklingt.
Raht und That samt dem Gedeyen
Himmel und Erd mag erfreuen.
Läut nun Glocke mit dem Schwengel
Da sich freuen Gott und Engel.
Das genüget Herr und Knecht,
Der gefüget Gnad und Recht,
Das geniessen Land und Leut,
Der gepriesen nah' und weit,
Augustus und Sophiae Ehr,
In dieser Welt je mehr und mehr.
Klingklank, Klingklank, Klingklank, Klingklank
Gott sey des ewig Lob und Dank.
J. V. A. D. F.
19. Septemb. Anno 1643

Rehtmeier zitiert auf der gleichen Seite noch ein langes lateinisches Glückwunsch-Carmen des Leib-Medicus D. Mart. Gosky und beschreibt ein "artiges Sinn-Bild", das "der berühmte und geistreiche Nürnbergische Theologus, Jo. Saubertus, ... entworften , .. ".
Rehtmeiers Erläuterungen(14) zu den Talern kann man nicht auseinanderreißen, sondern man muß sie in der folgenden ungekürzten Urschrift lesen:
Siehe die Abbildung aus Rehtmeiers Braunschweig-Lüneburgische Chronica, Teilstück der Tab. XXI, S.137

"Der erste Glocken Thl. Tab. XXl.n.2." [richtig: n.3]
"Auf dem ersten Thaler eine Glocke ohne Klöppel, von deren Schwengel ein Strick herabhänget, auf der Glocke stehen die Buchstaben: T.S.C.E.B. darunter die beyden Worte: SIC. NISI. umher des Herzogs Wahlspruch: ALLES. MIT. BEDACHT. H.S. ANO. 1643. Wodurch angezeigt wird, daß die Glocke lange ohne Klöppel geläutet habe, und die Worte SIC. NISI. oder Also. Wonicht. bedeuten: Also wird zwar die Glocke gezogen, es ist aber die Absicht und Mühe vergebens, Wonicht die That auf die vorhergepflogene Raht-Schläge folget. Die Buchstaben auf der Glocke T.S.C.(G)E.B. erkläret gedachter Tenzel also: Tandem Sortientur Consilia Exitum Bonum: Endlich werden die Anschläge einen guten Ausgang gewinnen. Weil aber auf denen Originalien an stat des C. ein G. (zum wenigsten auf dem ander) zu sehen, und die Deutung nicht so acut scheinet, als man sie billig von dem so klugen Herzoge, und dem tiefsinnigen Jo. Val. Andreae vermuthen solte, zu dem der Stempelschneider nicht so leicht eines Fehlers zu beschuldigen, so könte man es zwar deuten: Tandem Sequetur Gloriam Eventus Bonus: Allein da auch solches vielen ziemlich abgeschmackt vorkommt, so urteilen andere besser, daß durch diese Buchstaben der Zweck des Herzogs angedeutet werde, welcher war, aus Braunschweig einmal herauszukommen, darinnen er damals als im Pathmo wohnete, und mit ehesten seine Residence in Wolfenbüttel zu nehmen. Daher die Buchstaben: T.S.G.E.B. am füglichsten also erkläret werden mögen: Tandem Sequetur Gloriosus Exitus Brunsvicensis, Endlich wird ein rühmlicher Auszug aus Braunschweig erfolgen. Oder welches noch besser getroffen. Tandem Significabit (Sonabit) Gloriosum Exitum Brunsvicensem: Endlich, wenn nemlich der rechte Klöppel, der rechte Raht, wird gefunden, und eingehenckt oder ausgeführet seyn, alsdann wird gegenwärtige Glocke ankündigen den ruhmwürdigen Auszug aus Braunschweig. Welches, wie es mit der Historie und Absicht des Herzogs, und mit der Art einer so wichtigen Devise am besten übereinkommt, also wird es auch wohl die beste Meynung bleiben. Solte auf einigen Thalern das C. deutlich sich finden, wie denn mehr als ein Stempel davon gemacht sind, wie Tab. XXI.n.3. zu sehen, so möchte dieses der Sinn der Buchstaben seyn: Tandem Significabit Campana Eventum Bonum, five Exitum Brunsvicensem: Endlich wird diese Glocke einen glücklichen Ausgang aus Braunschw. ankündigen. Die nach dem Symbolo gesetzte Buchstaben H.S. nebst zweyen Schlüsseln kreuzweise, zeigen des Münzmeisters Namen und Wapen an, nemlich Heinrich Schlüter. Es findet sich von dieser ersten Sorte auch ein Stempel, worauf an stat der Buchstaben auf der Glocken Gloria stehet, wie Tab. XXI.n.4. zeiget, dessen Erklärung aus den vorigen leicht zu machen.

Der andere Glocken Thl. Tab. XXI.n.5.
Auf dem andern Thaler ist die Glocke wider ohne Klöppel zusehen, und die darauf stehende Buchstaben samt der Umschrift accordiren mit dem ersten. Die darunter stehende drey Wörter: UTI. SIC. NISI. oder Gleichwie. Also. Wo nicht, sind also zu verstehen: Gleichwie die Glocke ohne Klöppel nicht klinget: Also sind Anschläge und Beredsamkeit umsonst: Wo nicht die versprochene Abtretung meiner Residenz-Festung erfolget. Es sind von dieser andern Sorte auch mehr Stempel vorhanden, auf derem einen ebenfalls an stat der Buchstaben auf der Glocken Gloria stehet, wie denn auch die Umschrift mit des Münzmeisters Namen H.S. (gleich dem ersten) vermehret. So steht auch in eines jeden Belieben, diese Thaler mit Gloria besonders, und vor den dritten zu zählen, damit also die einmal angenommene Meynung der sieben Glocken-Thaler stehen bleibe, ohne dem mit dem Schiff darein zu mischen.

Der dritte oder vierdte. Tab. XXI. n.7. [richtig: n.8]
Der dritte (oder vierdte, wenn man den jetztgedachten apart zählen will) praesentiret den Klöppel auf einem Blocke: auf dem Klöppel stehet 13 K. MAJI. weil etwa denselben Tag, 13. Kalendas Maji nach Römischen Kalender, nach den alten Julianischen den 19. Aprilis 1643. ein nachdenckliches Consilium, die Evacuation der Festung zu erlangen, gefasset und bewerckstelliget worden. Auf dem Blocke stehet: AP.13.V.10.IN.F. (APocalypseos 13.Versu 10. IN Fine) und bedeutet das Ende dieses zehenden Verses im dreyzehenden Capitul der Offenbahrung Johannis: Hie ist Gedult und Glaube der Heiligen. Nemlich Gedult war vonnöhten, bis die Sache geschlichtet, daher endlich auf dem letzten Thaler die Gedult eine Überwinderin genennet wird. Das Wort Glaube wird man ebener Gestalt appliciren können, daß nemlich der Herzog so lange sich damit tröste, was er hoffe, ob ers gleich noch nicht völlig sehe und besitze. Unter der Glocke stehet das Wort SED? Aber welches soviel heissen soll: Hier ist Gedult und Glaube genug gewesen, aber die Glocke wird dadurch nicht beweget. Oder, der Klöppel liegt zwar hier, aber er ist noch nicht in der Glocke, und also Gedult und Glaube vonnöhten, bis und daß er hineinkomme. Von dieser Sorte sind dreyerley Stempel, und stehet auf dem andern: HIC. SED. Auf dem dritten ist kein mercklicher Unterschied zu finden.

Der vierdte oder fünfte. Tab.XXl.n.8. [richtig: n.9]
Auf dem vierdten oder fünften Thaler erscheinet eine vollkommene Glocke mit dem Klöppel, Gehänge, Schwengel und Stricke, daneben stehet TANDEM: auf dem Klöppel E. auf der Glocke WAIDIR. und unter derselben M. VIIB. 13☿. Welches zu lesen: TANDEM Ergo Wolfenbüttelum Ab Injustis Detentoribus Invite Restituitur, Mensis Septembris die decimo tertio, qui erat Mercurii, d.i. Endlich wird einmal Wolfenbüttel von denen, so es mit Unrecht vorbehalten, ungern wiedergegeben, Mittwochs den dreyzehenden Tag des Monats Septembris. Denn an diesem Tage ward die Evacuation nicht nur angesetzet, sondern auch, obwohl ungerne bewerckstelliget. Dahero es wohl nicht in futuro, Restituettur, als ob der Herzog vor Freuden diese Gattung zum voraus, und also zu früh, prägen lassen, (wie die Historische Remarques muhtmassen) sondern besser in praesenti, Restituitur, heissen wird, wie die vorhergehende Historie augenscheinlich darthut. Weil aber der solenne Einzug erst auf den folgenden Tag geschahe, so entstehet dahero

Der fünfte oder sechste Glocken·Thaler Tab. XXI.n.9. [richtig: n.10]
Der fünfte oder sechste Glocken-Thaler, dem jetztgemeldetem in allen gleich, ausser daß die Aufschrift auf der Glocken mit Punckten unterschieden, unter der Glocke aber Stehet: M.VIIB 14.1♃. das ist, den vierzehenden Septembris, welches ein Donnerstag, und zwar das Kreuz-Erhöhungs-Fest war. Denn wie der vorige Thaler den Tag der Ausräumung und Abmarsches der Kaiserl. Garnison, so solte dieser den Tag des öffendlichen Einzugs anzeigen. Daher es bey diesem auch besser in praeterito als in praesenti oder futuro heissen wird: TANDEM Ergo Wolfenbüttelum Ab Injustis Detentoribus Invite Restitutum, Mensis Septembris decimo quarto, die Jovis. Endlich ist einmal Wolfenbüttel von denen, so es mit Unrecht vorbehalten, ungern wiedergegeben worden. Donnerstags, den vierzehenden Tag des Monats Septembris. Und weil zwischen diesen beyden sonst kein Unterscheid, so werden sie auch wohl von etlichen vor eins gehalten, wie bey dem obigen andern und dem mit Gloria, und mag man alsdenn wohl auf diesen beyden Restituetur lesen, wenn man sich vor stellet, als wenn sie vorher geschlagen, so daß auf solche Weise die ganze Historie mit dem letzten nur fünf Glocken-Thaler ausmachen.

Der sechste oder siebende Glocken·Thaler Tab. XXI. n.10.11.12 [richtig: n.11,12,13].
Der sechste oder siebende Glocken-Thaler ist einiger massen von denen vorhergehenden unterschieden. Denn auf der ersten Seite führet er an stat des Brust-Bildes das ganze Herzogliche Braunschweig-Lüneburgische elffeldige Wapen mit fünf Helmen, neben dem Wapen des Münzmeisters Namen H.S. und umher den Titul: Augustus. Herzog. ZU. BRaun. U. LU. Auf der anderen Seite ist eine in ihrem Stul hangende läutende Glocke, welche von drey Händen durch so viel Stricke gezogen wird, auf derselben stehen die Worte: NU: PAC. EX.So.EI9 (Nuncius pacis ex sono ejus) d.i. Ihr Klang ist ein Friedens-Bote. Unter der Glocke im Perspectiv erscheinet die Festung Wolfenbüttel, über welcher die Sonne gleichsam nach langen Regen aufgehet. Die Umschrift heisset: TANDEM PATIENTIA VICTRIX. 1643. d.i. Endlich hat die Geduld überwunden und ist mir nach langen Warten nun friedlich geworden, was mir gebühret. Dieser Thaler ist nach des Herrn Abts Molani Erwehnung, auf 19. unterschiedenen Stempeln geschlagen, und zwar auf den 19. Septembr. nicht, da der Einzug des Herzogs in besagte Stadt geschehen, denn das war der 14te, sondern an welchem etwa dieser letzte Glocken-Thaler gepräget worden, oder sonst etwas merckliches sich an dem Tage begeben, deswegen er so viel Stempel machen lassen. Allein es hat der Herr Hof-Raht Schmidt alhier in Braunschweig, diese Meynung mit vieler Mühe und Kosten untersuchet, und in seinem Münz-Cabinet davon bereits 21. differente Stempel gesamlet, die er jedermann vor Augen legen kann. Und so hielte ohnmaßgeblich davor, daß etwan eher 26. seyn könten, weil er den 26. Februar 1644. mit seiner gesamten Hofstat sich von Braunschweig weg, nacher Wolfenbüttel begeben, und diese seine Residence recht zu bewohnen angefangen. Es bestehet aber der Unterscheid derselben theils in der Festung, theils in der Sonne, theils in den Worten auf der Glocke, da es auf einigen heist: NUN. PAC. EX. SON.EJUS. theils in der Umschrift, da auf einigen das Wort ANNO ganz ausgeschrieben, bisweilen ANO oder Ao verkürzet zu finden. Wir haben davon nur 3ley Sorten auf Tab. XXI. n. 10.11.12. beygebracht, auf deren anderen num. 11. sich an dem zurückgebliebenen Mittel-Punct des Stempelschneiders eine remarquable fatalité befindet, indem besagter Punct durch vielfältiges Münz-Prägen dergestalt aufgeborsten, daß die Figur eines Kranig-Vogels sich daraus unvorsehens formiret, welches denn ein omen vigilantiae von diesem klugen Fürsten der Nachwelt anzeigen kan. Dergleichen centralpuncte sind auch zubefinden in andern alten Münzen, auf des Churfürsten zu Sachsen Friderici des Weisen Spec. Thalern mit 3. Köpfen, und verschiedenen Schau-Stücken, auch wohl neuen ⅔ ⅓ ⅙ Stücken, so ohne Zweifel daher entstanden, weil es ein leeres Spatium geblieben, da sonst der Circul-Stich insgemein wieder durch eine andere Figur der Münze bedecket und ausgegraben wird, weshalber nichts critiques daraus zu erzwingen. Zu mehrerm Beweiß erscheinet auf dem 3. Stempel num. 12. daß angeführter central-punct der Glocke gar nahe kommen, und dieselbe anrühret. Ob aber die drey an der Glocke ziehende Hände was sonderliches anzeigen, können wir nicht versichern. Die Meynung aber derjenigen wird wohl als ungegründet wegfallen, welche vorgeben, es wären diese Thaler aus Chymischen Silber gemachet, und hätte der weise Herr durch die verblümte Redensarten den ganzen Process in der Alchymie andeuten wollen, inmassen sie aufn Zellerfeld geschlagen."

Es ist an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert für den weiten Kreis der Glockentaler-Verehrer sicher nötig und heilsam gewesen, daß Rehtmeier am Ende seiner Beschreibung betont, "der weise Herr" habe bei der Prägung seiner Münzen nicht im Dienst der "Alchymie" gestanden. Man sollte auch die mühevollen Deutungsversuche dieses Chronisten zu den vielen Buchstaben-Reihen nicht als Besserwisserei gegenüber früheren Interpretationen abtun. Er hat sich sicher bemüht, "dem so klugen Herzoge" ein halbes Jahrhundert nach der Prägung mit seiner Arbeit gerechtzuwerden. Als Köhler(15) diese das Nachdenken herausfordernde Taler-Reihe aufgreift, warnt er davor, im falschen Forschungseifer immer wieder neuen Varianten nachzuspüren, wenn er schreibt, "... man darf den Münz-Liebhabern ihre Sammlung durch dergleichen unmöglige Curiositaeten nicht noch saurer machen". Hartung(16) geißelt diese Varianten-Suche mit folgendem Satz: "So hat sich auch auf einigen Stücken die starke Imagination der Liebhaber aus einem kleinen Ritz, den ein Stempel bekommen, einen in die Höhe fliegenden Kranich vorgebildet, und dieselbe theurer eingewechselt, als die von ganz reinem Gepräge."
Aus obigen Gründen wird niemand wagen, über die Zahl der Ausprägungen genaue Angaben zu machen. Hartung erwähnt lediglich zum 3. Thaler(17): "Dieser ist unstreitig der seltenste unter den Glocken-Thalern, davon wenig Stücke müssen geprägt seyn."
In vielen Büchern wird auch der Schiffs-Taler noch zu der Glocken-Serie hinzugerechnet. Rehtmeier(18) verwirft diese Einbeziehung und schreibt: "Wohin der Herzog mit diesem Thaler eigentlich sein Absehen gerichtet, läßt sich gewiß nicht schliessen, und scheinet es nur eine Erläuterung seines Symboli zu seyn, und daß er mit Gott und gutem Bedacht das Regirungs-Ruder führe: Weshalb denn auch auf keinen derselben eine Jahrzahl gesetzt, weil dieser Wahl-Spruch ein Vorbild seiner ganzen Regierung Lebenslang seyn sollen".
Dem Herzog bleibt nach dem Einzug in Wolfenbüttel noch eine lange Regierungszeit, da er erst am 17.9.1666 mit 87 Jahren, 5 Monaten und 7 Tagen stirbt. Von seinen späteren Prägungen sollte man folgende Stücke einmal gesehen haben, die Rehtmeier. nicht nur ausführlich beschreibt, sondern auch abbildet(19).
1. Den vierfachen Taler des Jahres 1655, geprägt anläßlich seines 77. Geburtstages ... "worauf er zu Pferde sitzet, mit seinem umhergeschriebenen Namen und Titul: anzuzeigen, daß er bey so hohen Alter noch bey so vigoreusen Kräften, daß er ein Pferd wohl bestreiten könne".
2. Die "schönen Thaler", auf denen über seinem Brustbild die fama schwebt.
3. Die Kranich-Medaille, zu Beginn seines 88. Lebensjahres geschlagen.
4. Den Begräbnistaler, auf dessen Revers ein blätterloser Baum steht, an dessen Wurzeln ein Totenkopf liegt, umrahmt von den Worten: "SIC TRANSIT GLORIA MUNDI"

Anmerkungen (1) bis (19)
1 _ Rehtmeiers Braunschweig-Lüneburgische Chronica, III. Tomus, abgeschlossen 1721.
2 _ Rehtmeier, S.1383.
3 _ Rehtmeier, S.1391.
4 _ Rehtmeier, Tab. XX, Nr.8.
5 _ Rehtmeier, S.1394/95.
6 _ Rehtmeier, S.1397ff.
7 _ Rehtmeier, S.1400ff.
8 _ Rehtmeier, S.1409ff.
9 _ Rehtmeier, S. 1437.
10_ Köhler, Münz-Belustigung, S.137.
11_ Rehtmeier, S.1436-1440.
12_ Köhler, Münz-Belustigung, S.139.
13_ Rehtmeier, S.1439.
14_ Rehtmeier, S.1437-1440.
15_ Köhler, Münz-Belustigung, S. 144.
16_ Hartung, Thaler-Cabinet, S.397.
17_ Hartung, S.395.
18_ Rehtmeier, S.1440.
19_ Rehtmeier, S. 1464, 1482, 1485 und 1490.

Siehe auch Die sieben Glockentaler von 1643.


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