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Antipäpstliche Spottmedaille von Peter Flötner

Rolf Schneider
money trend 1/1995, S.38f



Miscellanmedaille o. J. (um 1530) von Peter Flötner
Vs.:   Brustbild Christi mit langen Locken und Bart von rechts. Darüber die Taube als Symbol des Heiligen Geistes, rechts neben dem Bild die Initialen P. F. (Peter Flötner). Im Felde die Schrift: ICH BIN DAS LEM-LEIN DAS DER WELT SVND TREGT. 10HANNES AM I. CAPT. NIMANT KVMT ZV DEM VATER DAN DVRCH MICH. IOAM XIIII
Rs.:   Brustbild des Papstes mit Tiara von links. Von der unteren Krone hängen Eselsohren herab, an die Tiara klammert sich ein geflügelter Teufel. Im Felde die Schrift: SO BIN ICH DAS KINDT DER VERDERBNVS VND DER SVNDEN SAGT SANT - rechts: PAVLI IN DER Z EPISTEL AN DIE TESSALONICHER
Durchmesser: 61 mm
Zitate: Habich 1829, Schnell 33


Zur Medaille

Unter religiösen Spottmedaillen werden Editionen verstanden, die in humoristischen und satirischen Bildern und Inschriften einschlägige Zeitereignisse verspotten.

Peter Flötner stellt die Gegensätze, die er herausarbeiten will, einander gegenüber.

Auf der Vorderseite wird das gemäss dem Ideal der Hochrenaissance durch erhabene Würde und betonte Schönheit wirkende Brustbild Christi mit langen Locken und gelocktem Bart in den Mittelpunkt gestellt. Durch den Heiligen Geist, der als Taube über Jesus schwebt, wird dessen Göttlichkeit symbolisiert. Die optische Wirkung wird in allegorischer Weise durch das dazugesetzte Bibelwort untermalt.

Auf der Rückseite wird, als Kontrast, der Papst auf mehrfache Weise verächtlich gemacht. Einmal durch seine hässliche, aufgeschwemmte Physiognomie, dann durch die Eselsohren, die die untere Krone seiner Tiara ausmachen und ihn als einen Narren kennzeichnen sollen. Schliesslich auch dadurch, dass die zweite Krone der Tiara durch einen Haufen Kot verziert ist, ein gern zur Diskriminierung der alten Kirche eingesetztes Motiv. In der zeitgenössischen populären Graphik werden Kirche und Papsttum recht häufig auch in der Form geschmäht, dass der einfache Mann in die Tiara seine Notdurft verrichtet. Zur Steigerung der gewünschten optischen Wirkung klammert sich der Teufel an die Tiara und versinnbildlicht damit die Abhängigkeit der Kurie von satanischen Kräften. Das wird auch durch die Inschrift verbal untermauert: «So bin ich das Kindt der Verderbnus und der Sunden.» Zum Beweis für die Richtigkeit dieser Worte mit dem 2. Brief des Paulus an die Tessalonicher, Kapitel 2, Vers 3, bemüht.

Das Kleinkunstwerk ist eine Gussmedaille; die Herstellung von geprägten Stücken eines so grossen Durchmessers stiess in der Reformationszeit noch auf meistens nicht lösbare technische Probleme. Verglichen mit den Porträtarbeiten von Hans Kraft und Hans Reinhart oder anderer damals führender Konterfetter wirken die Personen des hier besprochenen Werkes gröber und weniger plastisch. Das dürfte auch daran liegen, dass Peter Flötner es nicht gewohnt war, auf den kleinen Flächen einer Medaille zu arbeiten (s. u.).

Thematisches Umfeld

Spottmedaillen auf die römische Kirche und ihre Institutionen oder Würdenträger finden sich in den Jahren von 1540 bis 1560 in grosser Zahl. Sie waren ein typisches Mittel der Reformationszeit, das sich grosser Verbreitung und Beliebtheit erfreute. Mit dem Medium der Überzeichnung prangerten sie Missstände der alten Kirche und - im speziellen Fall der antipäpstlichen Spottmedaillen - die der damaligen Kurie an.

Meistens wurden - wie in unserem Falle - auf der Vorderseite das Gebot Gottes oder die Demut Christi dargestellt, während die Rückseiten auf unterschiedliche Weise die Verderbnis des Papsttums und dessen Verstösse gegen Gottes Gebot geisselten. In die Gleichsetzung des Papstes mit dem Antichristen wurden auch die alt- und neutestamentlichen Darstellungen der Apokalypse einbezogen.

Ein Teil dieser Medaillen geht auf Ideen und die Initiative des Nikolaus von Amsdorf zurück, der ein Freund Luthers, Superintendent in Magdeburg und seit 1542 Bischof in Naumburg war. Er zählte zu den entschiedensten Gegnern des Augsburger Interims.

Spottmünzen und -medaillen wurden von vielen bekannten zeitgenössischen Medailleuren geschaffen. Meistens verzichteten die Künstler jedoch aus naheliegenden Gründen auf die Anbringung ihrer Signatur, so dass die Zuordnung häufig nicht möglich ist.

Der Medailleur

Peter Flötner ist kein eigentlicher Medailleur, sondern ein vielseitiger Künstler auf mehreren Gebieten der bildenden Kunst. Als Kleinplastiker, Ornamentzeichner und Holztischler hat er bedeutende Leistungen vollbracht. Signierte Medaillen von seiner Hand kennt man nur zwei: die hier vorgestellte Arbeit und eine aus dem Jahre 1538 auf den Mauerbau an der Nürnberger Burg. Einige weitere Medaillen hat Habich ihm mit Vorbehalt zugerechnet. Die Medaillen Flötners entstanden wohl nicht aufgrund fester Bestellungen, sondern waren Gelegenheitsarbeiten.

Über die frühen Lebensjahre des 1490 in Nürnberg geborenen Künstlers ist wenig bekannt. Seit 1523 ist er in seiner Vaterstadt als Goldschmied nachweisbar.

Die zahlreichen Plaketten, deren Formen Flötner vorzugsweise in Speckstein schnitt, sind bisweilen als Serienarbeiten angelegt: die neun Musen, die sieben Todsünden usw. Sie behandeln vorrangig biblische, klassische und allegorische, seltener historische und zeitgenössische Themen.

LITERATURAUSWAHL

Bernhardt, Max:
Kunst und Künstler der Nürnberger Schaumünze des 16. Jahrhunderts, in: Mitteilungen der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft LIV., 1936, S.1-61, München 1936
Habich, Georg:
Die deutschen Schaumünzen des XVI. Jahrhunderts, 4 Bände, München 1929
Schnell, Hugo:
Martin Luther und die Reformation auf Münzen und Medaillen, München 1983

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