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Turnierritter oder Wiedertäufer?

Bemerkungen zu einer Medaille aus dem Kurfürstentum Sachsen (ernestinische linie) von 1536

Peter Gaschütz
NNB 34(10.1985)276-284


Abbildungen im getrennten Fenster


Die hier angesprochene Medaille ist datiert auf 1536, also nach dem Regierungsantritt von Kurfürst Johann Friedrich dem Großmütigen von Sachsen, geboren 1503. Er folgte seinem Vater, Johann dem Beständigen, 1532 im Kurfürstentum Sachsen und war als überzeugter evangelischer Protestant ein unbeirrbarer Schutzherr von Dr. Martin Luther. Der Schmalkaldische Krieg gegen Kaiser Karl V. und der Verlust der Kurwürde 1547 sind die weltpolitisch herausragenden, aber auch tragischen Ereignisse seines Lebens bis zu seinem Tode 1554.

Die Medaille (Abb.1) zeigt auf der Vorderseite das erhabene Brustbild des Kurfürsten fast von vorn mit der Umschrift "CONTRAFRAITWRA + IOAN + FRIDERICI + ELECTORIS + DVCIS + SAXONIAE + MDXXXVI + ". Dabei ist der Beginn fehlerhaft, denn es soll eigentlich heißen "CONTRAFACTVRA" .
Die Rückseite stellt drei Berittene im Kampf mit einem Fußsoldaten dar, am Boden liegen drei Erschlagene. Ein Fußsoldat kommt von der linken Seite hinten. Der linke Ritter trägt den meißnischen Helm, der mittlere den kursächsischen und der rechte den thüringischen. Die Umschrift lautet "NON + FRVSTRA + GLADIVM + GESTAT + NAM + DEI + MINISTER + EST + VLTOR + AD + IR(am) + ". Sie stammt aus der Bibel, und zwar aus dem Paulusbrief an die Römer 13, Vers 4: "Sie (d.h. die Obrigkeit) führt das Schwert nicht umsonst, denn sie ist Gottes Dienerin als eine Rächerin zum Erweise des Zornes."
Nach Katz (1, S. 144) ist die Medaille ein Werk des Medailleurs Wolf Milicz. Um 1527 beginnt auf Grund der reichen Silbervorkommen im Erzgebirge vor allem im böhmischen "Tal", dem späteren Joachimstal, die Medaillenproduktion - insbesondere von biblischen Schaumedaillen.
In der Literatur wird diese Medaille aufgeführt: Tentzel 9, II; Katz 270; Daßdorf 130 (1 L 3 Q); Merseburger 544 (Guß, 35g); Ampach 13018 (1⅓ L); Riechmann XXVII/45 (Guß, 44mm, 199); Löbbecke 575; Lanna 866 (vergoldeter Guß, 44 mm, 27 g); Kneist 282 (Guß, 44mm, 20,4g); Münzzentrum Köln 53/4105 (44mm, 26,75g) u.a. Es existiert noch eine Vorläuferin (Abb.2) unserer Medaille mit identischer Vorderseite und wenig abweichender Rückseite, bei der die Umschriften fehlerhaft sind und die Jahresangabe vollständig fehlt (vgl. Tentzel 8, IV, der sie als Fehlproduktion bezeichnet).

Um die Rückseite der oben beschriebenen Medaille von 1536 und ihre Bedeutung geht es nunmehr: was stellt sie dar? Was will sie mit dem Bibelzitat in der Umschrift aussagen? Wer dazu eine Antwort sucht, greift bei derartigen Medaillen zunächst fast automatisch zurück auf Tentzel (2). Er verknüpft auf S. 107 (zu Tafel 9, I) die behandelte Medaille recht ausführlich mit dem endlich 1535 nach langer Weigerung des Kaisers empfangenen Lehen, geht aber "sonder Zweifel" auf den Schmalkaldischen Bund und dessen Bundestag im Mai 1536 in Frankfurt am Main über und verbindet das gezeigte Schlachtenbild mit "dem Fürbilde eines Thurniers, da man sich erst mit Kolben, hienach mit Schwerdtern, endlich mit Speeren herum zuschlagen pflegte".
Wie ein roter Faden ziehen sich seitdem diese "Thurnierritter" durch die nachfolgende Literatur und werden auch heute noch bei Beschreibungen verwendet. Kann das so richtig sein? Kann das dem Sinngehalt der Medaille gerecht werden?

Zwar war Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige bekanntermaßen ein Anhänger des Turniersportes, denn er nahm zwischen 1521 und 1534 an 146 Turnieren teil (3, Bd. I, S. 18). Aber paßt zu diesem ritterlichen Vergnügen die drohende Umschrift aus Römer 14,3? Hier scheint Tentzel recht großzügig in seiner Auslegung vorgegangen zu sein, wobei ihn wahrscheinlich die Erinnerung an die von ihm früher behandelte Medaille von 1530 (Tentzel 5, III; Katz 41) geleitet hat. Jenes Stück (Abb. 3) zeigt den Vater, Johann den Beständigen, auf der Vorderseite und auf der Rückseite drei turniermäßig gewappnete Ritter mit Helmbüschen, Schilden und hochgetragenen Speeren, ohne Umschrift. Die Gruppierung der berittenen Figuren und die Art der Darstellung weisen deutliche Parallelen zu unserer Medaille von 1536 auf, so daß es glaubhaft erscheint, wenn Katz sie zu den erzgebirgischen Prägemedaillen, allerdings vom Medailleur Hieronymus Magdeburger, rechnet. Auch vermag Tentzel bei dieser Medaille von 1530 zu überzeugen, wenn er sie in Zusammenhang mit der damals erhofften, aber "hernach versagten Lehensempfängnis" anläßlich des Augsburger Reichstages von 1530 bringt (so auch Merseburger, 574). Fürstliche Repräsentation und ritterliches Gepränge, das deckt sich mit der politschen Zielsetzung. Aber ohne drohende Bibelzitate!
Wenn man darum diesen Schluß für unsere Medaille von 1536 nicht akzeptiert, so bleibt nach Tentzel der Bezug auf den Schmalkaldischen Bund.

Der Bund entstand ab 1531 aus dem Wunsch der evangelischen Fürsten und Städte, eine Verteidigungsgemeinschaft auf politischer, religiöser und militärischer Basis gegenüber dem Kaiser, den katholischen Ständen und dem Papst zu konstituieren und als Machtfaktor zu präsentieren. Seine Hauptinitiatoren waren Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen, und als theologische Berater wirkten vor allem Luther und Melanchthon. In mindestens jährlichen Bundestagen wurden an wechselnden Orten die Bundesverfassung und die Bundesbeschlüsse erarbeitet und die gemeinsamen Antworten auf die Fragen des Tages und der Zukunft gesucht. Mit dem unglücklichen Ende des Schmalkaldisehen Krieges erlosch 1547 der Bund.

Es ist schon denkbar, daß Kurfürst Johann Friedrich mit der Medaille von 1536 einen Machtausdruck seiner Zugehörigkeit und der Rechte aus dem Schmalkaldischen Bund vor allem gegenüber Kaiser Karl V. und seinem Bruder Ferdinand aller Welt hätte zeigen wollen. Aber das Jahr 1536 gab eigentlich keinen besonderen Anlaß. Weder war der erwähnte Bundestag von Frankfurt im Mai 1536 von besonderer Bedeutung, denn er bemühte sich vor allem, die VolIziehung der Bundesverfassung zu beschleunigen und weitere Mitglieder aufzunehmen, noch war einer der unmittelbar vorangegangenen Bundestage als ein Meilenstein zu bezeichnen. Erst zum Jahreswechsel 1536/37 geriet die politische Bühne im Reich wieder in erregende Bewegung, aber davon später.

Man darf wohl davon ausgehen, daß zur damaligen Zeit der Kurfürst durch Medaillen mit der geschilderten Darstellung eine bewußte Aussage erzielen wollte. Die Eigenproduktion durch Medailleure und ihre Verleger im Interesse des eigenen Geschäftes ist bei machtpolitisch motivierten Medaillen im Gegensatz zu solchen mit rein religiösen Inhalten nicht gut vorstellbar.

Das Plazet der Obrigkeit war mindestens erforderlich, wenn nicht schon eine Auftragsarbeit mit gebundener Themenstellung beim Medailleur landete. Johann Friedrich hat mit Graf Schlick in Joachimstal engen Kontakt gehabt. Eine Medaille von 1534 von David Enderlein auf einen Besuch der Fürstenpaare weist dies nach (Tentzel 6, V).

Johann Friedrich war ein mächtiger, standesbewußter Herr, zwar kein weitschauender und begabter Machtpolitiker, wohl aber ein gestrenger landesvater und ein unbeirrbarer Anhänger der Augsburger Konfession.
Als das Wesentlichste erschien ihm stets die Übereinstimmung seiner Handlungen mit den Forderungen seines Gewissens, das seine Richtlinien entnahm aus dem Evangelium und aus den Glaubenssätzen des Luthertums, wie sie in der Augsburger Konfession niedergelegt waren (3). Selbst Nachgiebigkeit Luthers in einzelnen Punkten war er nicht bereit mitzumachen, er war dann lutherischer als Luther selbst. Dieser Wesenszug, ja diese Glaubensenge gibt den Hinweis auf die mögliche Deutung unserer Medaille von 1536. Denn die Umschrift zitiert nur einen Auszug aus dem Römerbrief 13,4. Vollständig lautet der Vers:
"Denn sie (die Obrigkeit) ist für dich Gottes Dienerin, die dich zum Guten führt. Wenn du aber das Böse tust, so fürchte dich, denn sie führt das Schwert nicht umsonst, denn sie ist Gottes Dienerin als eine Rächerin zum Erweise des Zorns an dem, der das Böse tut."
Generationen von Theologen, Philosophen und Rechtsgelehrten haben über diese Auffassung von Staatsgewalt nachgedacht und gestritten, bis hin zum Problem der Rechtfertigung des Widerstandes gegen den Staat in der Zeit des Nationalsozialismus (10).
Für die Zeit unserer Medaille von 1536 lag aber eine innere Zwangsläufigkeit darin, daß der christliche Obrigkeitsstaat aus der Sorge für das ewige Heil seiner Untertanen Gehorsam gegen die verordnete Lehre forderte, dabei auch vor Zwang nicht zurückschreckte und jeder Form von Abweichung oder gar Widerstand den Makel des Widergöttlichen verlieh (4, S. 77 ff.).
An wen richtete sich also die Warnung, wenn nicht Drohung unserer Medaille von 1536 in Wort und Darstellung? Kurz und bündig hat Tentzel (S. 111) eine Literaturstelle (5), die die Medaille auf die Belagerung und Bestrafung der Wiedertäufer 1535 in Münster bezog, abgetan mit dem Hinweis auf den Zeitablauf und die Tatsache, daß der Kurfürst nicht selbst in Münster dabei gewesen sei, sondern nur etliche Hilfstruppen geschickt habe. So sah es Tentzel rund 170 Jahre nach dem Ereignis und als Kind seiner Zeit, also ohne das Empfinden für die religiös unvereinbaren Polarisierungen im Zeitalter der Reformation. Tentzel erschienen die Wiedertäufer wohl als eine schnell überwundene Verirrung. Für die Zeit Johann Friedrichs dagegen waren sie gefährliche, nicht zu tolerierende, sondern zu bekämpfende, ja auszurottende Abweichler von der reinen Lehre und damit von den Fundamenten des Staates und Glaubens.
Es ist schon merkwürdig: Die Anhänger der Augsburger Konfession, die Lutheraner, die Evangelischen, die Protestanten, duldeten keine geistige Freiheit in theologischen Glaubenssätzen, obgleich sie ihre eigene Existenz der von ihnen beanspruchten "Freiheit eines Christenmenschen" aus der hohen Zeit der Reformation verdankten.
1529 hatte der Reichstag zu Speyer das Reichsgesetz gegen die Wiedertäufer mit der Todesstrafe durch Feuer "oder dergleichen" ohne vorherige Inquisition durch geistliche - auch evangelische - Richter erlassen, dem sich der damalige Kurfürst Johann von Sachsen anschloß und sein eigenes Mandat vom 17. Januar 1528 gegen die Wiedertäufer, Sakramentierer (also die Anhänger Zwinglis) und Schwärmerei erneuerte.
Im November 1529 bestätigten Luther und Melanchthon die Rechtsvorschriften gegen die Ketzer auf Anfrage des Kurfürsten. Melanchthon, der als der milde und im Vergleich zu Luthers Haltung in geistlichen Dingen nachgiebigere Reformator gilt, war in allen Fragen der "Schwärmerei" von unnachsichtiger Härte. Im Oktober 1531 empfiehlt er in einem Gutachten dem alten Kurfürsten Johann die Todesstrafe für gefangene Wiedertäufer.
Mit dem Regierungswechsel auf Johann Friedrich den Großmütigen ändert sich auf diesem Gebiete nichts. Der Fürst leitete die weimarische Kirchenpolitik bereits seit 1525, war also mit theologischen Problemen vertraut und galt vielmehr als besonderer Feind der schwärmerischen Bewegung (2, Bd. I, S. 38). Nach dem Fall von Münster am 25. Juni 1535 trat keineswegs eine Beruhigung in der Beurteilung ein, vielmehr sahen Luther und Melanchthon in den dort gesammelten Erkenntnissen erst recht den Beweis für die aufrührerischen Tendenzen aller Wiedertäufer (6, S. 64).
Im November 1535 wurden aus einer Anzahl von festgenommenen Wiedertäufern einige zur Vernehmung nach Jena gebracht, wohin damals die Wittenberger Universität wegen der Pest verlegt worden war. Melanchthon beteiligte sich an den Verhören der Inquisition und riet dem Kurfürsten, ernste Strafen zu gebrauchen. Am 19. Januar 1536 richtete Melanchthon ein Ersuchen an den Kurfürsten, gegen die Ketzer eine öffentliche Schrift herauszugeben. Der Kurfürst erließ am 10. April 1536 auf diese Anregung von Melanchthon und aus dessen Feder stammend ein neues Mandat gegen die Wiedertäufer, Sakramentierer und Schwärmer, das sich an das Mandat vom 17. Januar 1528 anschloß. Im neuen Mandat werden als die Hauptartikel der Wiedertäufer genannt und verdammt:
"Daß Christen sollen und können nicht unter Obrigkeit und unter Ämter sein, welche das Schwert führen. Christen sollen keine andere Obrigkeit haben, denn allein die Diener des Evangeliums ... "
Gleichzeitig mit dem Mandat gelangte noch ein "kurtz Büchlein" vor allem an jeden Pfarrer zur amtlichen Ausgabe, in dem die einzelnen Hauptartikel der Wiedertäufer widerlegt wurden (6, S. 65 ff.). Es stammte ebenfalls aus Melanchthons Hand und bringt die bezeichnenden Sätze:
"Wie man zu Münster hat müssen wehren und strafen, nachdem die Wiedertäufer öffentlichen Raub und Mord mit der Tat getrieben haben, also ist die Obrigkeit schuldig denen, so dergleichen aufrührerische Artikel halten und ausbreiten, zu wehren und sie zu strafen als diejenigen, so das Schwert gezückt haben, ob es gleich noch zum Streiche nicht kommen ist."
Vergleicht man jetzt diese Zitate, Zeit- und Sachdarstellungen mit Bild und Umschrift unserer Medaille von 1536, so dürfte der Schluß nicht zweifelhaft sein. Es handelt sich bei unserer Medaille um die in Metall geprägte Überzeugung, mit der Kurfürst Johann Friedrich seine Stellung und Strafgewalt als Obrigkeit (die mit den Landesinsignien geschmückten, angreifenden Ritter) gegen die aufrührerischen Ketzer und Wiedertäufer (die erschlagenen oder sich noch wehrenden Fußsoldaten) allen Untertanen deutlich machte. Ein gewisser Widerspruch ist noch denkbar zwischen der Darstellung von Fußsoldaten mit Schild und Schwert und dem Glaubensartikel der Wiedertäufer, der die absolute Gewaltlosigkeit ihres Widerstandes gegen ihre Verfolger forderte im Vertrauen auf die Wirksamkeit ihres strengen Gebetes bei Gott als ihrem Verteidiger. Dieser auf die Bibel begründete Verzicht auf Waffengewalt hatte aber durch die gewalttätigen Handlungen der Wiedertäufer in Münster 1535 und damit in der für den Medailleur und seine Zeitgenossen jüngsten Vergangenheit keine Überzeugungskraft, die sich in der Darstellung auswirken konnte. Für das evangelische Verständnis waren alle Wiedertäufer, Sakramentierer und Schwärmer gleichermaßen Ungehorsame, die zu tilgen Pflicht der Obrigkeit war, gleichviel ob sie sich mit Gebeten oder Schwertern wehrten.
Damals wußte man bildliche Darstellungen viel tiefschürfender und weitreichender zu interpretieren, noch dazu an Hand der kurzen Umschrift aus der nun endlich allgemein zugänglichen Bibel, als es unserer Gegenwart mit der Überflutung von Schrift, Bild und Ton noch möglich oder vorstellbar ist. Warnung und Drohung waren unmißverständlich.
Und die gewollte Aussage wirkte nach. Ampach (8) verzeichnet unter Nummer 13039 eine Gußmedaille (1½ L) ohne Jahreszahl, deren Vorderseite er mit "Tournierritter im Kampf (wie Tentzel 9, I)" beschreibt, also danach identisch mit unserer diskutierten Medaille von 1536. Auf der Rückseite soll sie laut Ampach zeigen: "David mit der Harfe auf dem Söller, daneben: PA/CA/II, unten zwei sitzende Figuren."
Eine Abbildung ist für den Verfasser dieses Artikels leider nicht verfügbar, ebenso ist die Datierung, die Ampach mit "1540" angibt, nicht nachvollziehbar, da bisher keine weiteren Literaturstellen bekannt wurden. Wenn die Buchstaben-Zahlenkombination auf der Vorderseite sich ausdeuten läßt, so könnte sie auf den 2. Psalm hinführen. Eine logische Verbindung ist dann zulässig, wenn man hierzu das von Melanchthon im Februar 1537 verfaßte Traktat wider die Gewalt und das göttliche Recht des Papstes heranzieht (6, S. 88). Er hatte es auf Wunsch des Schmalkaldischen Bundeskonvents im Nachgang zu Luthers 21 Schmalkaldischen Artikeln geschrieben und führt darin aus:
"... Fürnehmlich aber sollen Könige und Fürsten als fürnehmste Glieder der Kirchen helfen und schauen, daß allerlei Irrtümer weggetan, und die Gewißen recht unterrichtet werden, wie denn Gott zu solchem Amt die Könige und Fürsten sonderlich ermahnet im 2. Psalm."
Damit könnte der Versuch einer Ausdeutung unserer Medaille von 1536 abgeschlossen sein. Aber es reizt doch zu weiteren Überlegungen, wenn man entdeckt, daß der gleiche Textteil von Römer 13,4 und die Darstellung eines Kampfes im figürlich ähnlichen Stil in zwei zeitlich folgenden Medaillen existieren. Es handelt sich um

1. die Medaille von 1537 (Abb. 4); Vs.: Brustbild des Kurfürsten Johann Friedrich fast von vorn mit goldenem Vlies (?), eine irrige Zuordnung, denn dem katholischen Orden des goldenen Vlieses hat er als evangelischer Kurfürst nie angehören können. Umschrift "IMAGO + IOANNIS + FRIDERICI + ELECTORIS + DVCIS + SAXONIAE +". Interessanter ist die Rückseite: Sechs Berittene im Kampf, davon drei mit den bereits oben bei unserer Medaille von 1536 beschriebenen Helmbüschen, am Boden ein rechteckiger Block. Im Abschnitt vier Zeilen Schrift mit dem gleichen Text wie oben, d.h. Römer 13,4 und Jahreszahl MDXXXVIL Literatur: Tentzel 9, II und mit weiteren Nachweisen Partin XVI/1590. 2. die Medaille von 1542 (Abb. 5). Vs.: Brustbild des Kurfürsten Johann Friedrich fast von vorn mit Barett. Umschrift in zwei Halbzeilen "IOHAN . FRIOERICH . HERZOG. IN . SAXEN . DES . HEILIGEN. REICHES CVRFVRST ." Rs.: Sechs Berittene im Kampf in typenähnlicher, zu vorhergehenden Medaille fast spiegelverkehrter Gruppierung. Im Abschnitt vier Zeilen Schrift wie oben und Jahreszahl MDXXXXIL Literatur: Tentzel 12, I.
Die entscheidende Abweichung beider Stücke auf der Rückseite gegenüber unserer Medaille von 1536 liegt darin, daß der kämpfende Fußsoldat und die drei Erschlagenen durch drei kämpfende Ritter zu Pferd ersetzt wurden. Das Gemeinsame ist die präzis dekkungsgleiche Zitierung des Bibeltextes, allerdings nicht mehr in der Umschrift, sondern im Abschnitt.
Für eine Deutung ist der Personenwechsel vom abwehrenden Fußkämpfer zu drei angreifenden, nicht mit definierten Helmbüschen gekennzeichneten Berittenen wohl entscheidend. Die Kontrahenten werden auf eine andere Aktionsebene gehoben. Keiner von ihnen ist deutlich unterlegen, jeder noch bemüht um die freie Entfaltung seiner Kräfte. Nicht mehr der Untertan ist Kontrahent, sondern ein Gegner "von Stande". Ja, es ist sogar an die kaiserliche Majestät als Gegner zu denken.
Nach den "Jahren des Vertrauens" (3, Bd. II), in denen Johann Friedrich, von der Meinung seiner Theologen gestützt, im Kaiser seine von Gott gesetzte Obrigkeit sah, gegen die die Waffen zu erheben ihm erst undenkbar, dann unzulässig erschien, überwand er diese Einstellung in den folgenden "Jahren der Sorge und der Unternehmungslust" ab 1536.
Nunmehr wog ihm höher als das Treueverhältnis zwischen Lehnsmann und Lehnsherr, des deutschen Fürsten zum Kaiser, die "Libertät" der deutschen Fürsten und der Wunsch, dem Reich seinen Charakter als Wahlreich zu wahren. Der Gedanke der Landesherrlichkeit, der Verteidigung der wirklichen oder vermeintlichen Rechte des Fürsten auch gegen den Kaiser gewannen Oberhand. Dieser Wandlungsprozeß hatte handfeste äußere Ursachen.

Gedrängt von Kaiser Karl V. hatte der Papst für 1537 das langerwartete Konzil nach Mantua angekündigt. Die Schmalkaldener Verbündeten schrieben daraufhin voller Sorge für Februar 1537 eine Bundesversammlung in Schmalkalden aus, bei der sie ihre Antwort, Haltung und Forderung beschließen wollten. Der theologische Beitrag bestand in den oben erwähnten 21 Schmalkaldischen Artikeln von Luther und der Ergänzung von Melanchthon mit der Schrift "Wider die Gewalt und das göttliche Recht des Papstes" (9).
Wichtig waren für die praktische Politik ein Bündel von Maßnahmen zur Stärkung des Bundes und die Erklärung des Rechtes auf Widerstand gegen den Kaiser für den Fall, daß der Kaiser die Religion verfolge. Auch die Wittenberger Theologen stellten sich jetzt auf diesen von den Juristen schon länger vertretenen Standpunkt (3, Bd. II, S. 129). Und Johann Friedrich folgte ihnen.
Die Macht des Schmalkaldischen Bundes, die Libertät des Fürsten und das Recht auf Widerstand selbst gegen den wider die Augsburger Konfession sich rüstenden Kaiser und seine katholischen Stände, das ist die einleuchtende Deutung für das Motiv auf der Rückseite der Medaille von 1537 (Abb. 4). Türkenkrieg und Krieg mit Frankreich hinderten den Kaiser an der Weiterverfolgung des beabsichtigten Konzils, wohl zur Erleichterung des machtbewußten, aber keineswegs kirchenreformfreudigen Papstes.

Aber die Bedrohung der evangelischen Stände blieb latent bestehen. Und der gleiche Gedanke der Behauptung und Demonstration im Interesse des Schmalkaldischen Bundes dürfte auch die Medaille von 1542 (Abb. 5) zur Basis haben, nunmehr schon mit der deutschen Aufschrift auf der Vorderseite. Tentzel selbst widerspricht (2, S. 145) Deutungen im Zusammenhang mit dem "Fladenkrieg" von 1542. Dies war eine lokale, handgreifliche Auseinandersetzung zwischen Kurfürst Johann Friedrich und seinem später so berühmten Verwandten und Nachfolger in der Kur, Herzog Moritz von Sachsen, um Abgaben und Türkensteuer im Amt Wurzen. Eher ist schon Schlegel (8, S. 413) zu folgen, der die Medaille von 1542 mit der Vertreibung Herzog Heinrichs von Braunschweig durch den Schmalkaldischen Bund kombiniert. Tentzel (2, S. 148) zitiert eine weitere Quelle (Luckius):
"Der Lobwürdigste Chur-Fürst gab damit zu verstehen, wie Gott einer frommen und klugen Obrigkeit nicht nur zu dem Ende des Schwerdt gegeben habe, daß sie ungehorsamen Bürgern und anderen lasterhafte Leute auß dem Mittel räume, damit sie dem übrigen gemeinen Wesen nicht schaden können: sondern auch, daß sie ihre Länder, Unterthanen, Rechte, Privilegia und Freyheiten, welche sie durch die Gesetze und Gerichte nicht erhalten kann, durch Gewalt und Waffen erhalten, beschützen, verteidigen und beschirmen solle."
Diese eskalierende Auslegung der Bibelstelle des Römerbriefes 13,4 vom gerechtfertigten Kampf gegen die "Schwärmerei", so unsere Medaille von 1536, bis zum Widerstand gegen den Kaiser und die katholischen Stände, so die Medaillen von 1537 und 1542, deckt sich mit dem Ergebnis der hiermit abgeschlossenen Bemerkungen. Damit sollte die zum Anfang gestellte Frage beantwortet und geklärt sein.


Übergeordnetes Thema :   Münzen und Medaillen mit Bezug auf den Schmalkaldischen Bund


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