Startseite Numismatische Texte

Kopernikus als
Währungstheoretiker und Münzreformer

Hans Herrli
in: MünzenRevue 6/1992 S.728-731
(hier ohne Abbildungen)


De revolutionibus orbium coelestium libri sex", das 1543 in Nürnberg erstmals gedruckte astronomische Hauptwerk des Nikolaus Kopernikus, hat seinen Verfasser weltberühmt gemacht. Das Buch, dessen irreführender und noch auf ältere, geozentrische Vorstellungen hinweisender Titel nicht von seinem Verfasser, sondern, wie Kepler herausfand, vom Theologen und Verleger Andreas Osiander stammt, stellte die Problematik der damaligen Astronomie umfassend dar. Der Nachruhm des Kopernikus beruht jedoch fast ausschließlich auf bestimmten Teilen dieses Werkes, auf der Darstellung der täglichen Drehung der Erde um ihre Achse und der Präzession der Erdachse, speziell aber auf einer durch Beobachtungen untermauerten und mathematisch ausgearbeiteten Theorie des heliozentrischen Systems der Planetenbewegungen. Obwohl schon der große griechische Astronom Aristarch von Samos um 280 v. Chr. die Bewegung aller Planeten (zu denen er auch bereits die Erde zählte) um die Sonne postuliert hatte, setzte sich diese Sicht der Welt erst sehr viel später gegen den Widerstand katholischer und protestantischer Theologen durch. Zu diesem Erfolg trug, neben Kopernikus, vor allem auch Johannes Kepler (1571 bis 1631) bei, der für die Bahn der Planeten eine mathematisch einfache Form, die Ellipse, fand.

Selbst wer mehr als nur seinen Namen kennt, ist leicht geneigt in Kopernikus einen versponnen, in weltfremde Betrachtungen des Sternenhimmels versunkenen Astronomen zu sehen, einen Gelehrten, den sein Schicksal in das ferne Ostpreußen, ein Land, das im Zeitalter des Humanismus und der Renaissance am Rande Europas und der zivilisierten Welt dahindämmerte, verschlagen hatte. Dieses Bild, das auf unserer allgemein recht geringen Kenntnis der Geschichte Osteuropas beruht, ist in jeder Beziehung falsch.

Nikolaus (oder Mikolaj) Kopernik wurde am 19. Februar in Thorn (poln.: Torun) als Sohn eines Ratsherrn in eine wohlhabende Familie des kaufmännischen Patriziats der Handelsstadt an der Weichsel geboren. Thorn, das damals ungefähr 12000 Einwohner zählte, gehörte mit Elbing und Danzig, der mit 50000 Einwohner reichsten und wirtschaftlich bedeutendsten Stadt Polens, zu den drei großen Städten des sogenannten königlichen Preußen. Diesen Namen trugen der westliche Teil des einstigen Staates des Deutschen Ordens und das Bistum Ermland, welche beide im Frieden von Thorn, der im Jahre 1466 den 13jährigen Krieg beendete, an den König von Polen gefallen waren.

Wie viele Bewohner Preußens (das gebietsmäßig nicht mit dem späteren deutschen Staat gleichen Namens identisch war) hatte auch Kopernikus sowohl polnische als auch deutsche Vorfahren. Der Streit, der bis in die Gegenwart gelegentlich immer noch zwischen Deutschen und Polen wegen der Frage der Nationalität des berühmten Astronomen aufflammt und der sich aus einer Idee einer viel späteren Zeit, einem übersteigerten Nationalismus, nährt, kann daher nur als töricht bezeichnet werden.

Kopernikus besuchte zuerst eine Schule in Thom und zog dann an die bereits 1364 gegründete Universität Krakau, die im späten 15. und im 16. Jahrhundert, dem kulturellen und künstlerischen "goldenen Zeitalter" Polens, zu den berühmtesten hohen Schulen Europas gehörte. Wenn Hartmann Schedel in seiner bekannten Weltchronik schrieb: ,,(an der Universität Krakau) hat das Studium der Astronomie seine höchste Stufe erreicht und, wie mir viele berichten, gibt es in Deutschland kein besseres", so bestätigte er damit nur den herforragenden internationalen Ruf, den vor allem die Fakultät der Freien Künste, der ein reicher Krakauer Bürger schon im Jahre 1405 einen Lehrstuhl der Astronomie und Mathematik gestiftet hatte, genoß.

Seit 1386 regierte über das Königreich Polen und das Großfürstentum Litauen, zusammen ein Land mit einer Fläche von ungefähr 800000 km2, in Personalunion die Dynastie der Jagellonen. Im Westen reichte ihr Staat etwas weniger weit als das heutige Polen, im Osten umfaßte er aber auch Weißrußland und die Ukraine und im Südosten stieß er mit seinem Vasallenfürstentum Moldau bis an das Schwarze Meer vor. Zu den Gebieten, die im Jagellonenreiche aus historischen Gründen eine staatsrechtliche Sonderstellung behaupteten, gehörte auch das königliche Preußen. Dieses besaß nicht nur ein eigenes Wappen (einen Adler mit einer Krone um den Hals und einem erhobenen Schwert) und eine eigene Währung, sondern auch eine Art Parlament. Der Preußische Rat, der unter dem Vorsitz des Bischofs des Ermlandes tagte und aus Vertretern der hohen Geistlichkeit, des Adels des Landes und der Städte Danzig, Thom und Elbing bestand, entschied zusammen mit dem polnischen König über Steuern und in bestimmten juristischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Schwierige und wichtigere Fragen wurden an eine erweiterte Ständeversammlung, die eine adelige und eine bürgerliche Kammer umfaßte, überwiesen. Innerhalb des königlichen Preußen nahm wiederum das über eine beschränkte Autonomie verfügende Bistum Ermland eine besondere Stellung ein. Der Herr über das geistliche Fürstentum, der Bischof des Ermlandes (das polnisch Warmia heißt), residierte im Schlosse von Heilsberg, sein Domkapitel jedoch in der kleinen Hafenstadt Frauenburg am Frischen Haff. Dieses Domkapitel wählte nun im Jahre 1495 Nikolaus Kopernikus zu seinem Mitglied, eine Wahl, die der frischgebackene Domherr dem Einfluß seines Onkels Lukas Watzenrode, seit 1489 Bischof des Ermlandes, zu verdanken hatte. Die Stellung eines Domherrn, war eine Pfründe, die ihrem Inhaber ein sicheres und nicht zu knapp bemessenes Einkommen sicherte, im Falle des Kopernikus war sie jedoch alles andere als eine Sinekure. Die Domherren, von denen keine höheren kirchlichen Weihen verlangt wurden, mußten nicht nur dem Bischof bei der Regierung seines Gebietes mit Rat und Tat beistehen, sondern auch ihre eigenen ausgedehnten Ländereien verwalten, eine Aufgabe, die durch immer wieder im Ermland ausgetragene Kämpfe zwischen Söldnertruppen des Deutschen Ordens und des polnischen Königs nicht einfacher wurde.

Wahrscheinlich weil Domherren verpflichtet waren im Ermland zu wohnen, brach Kopernikus seine Studien in Krakau ab. Allerdings sah das Statut des Kapitels eine Dispensation von der Residenzpflicht im Falle von Domherrm, die Studien nachgingen, vor, und schon 1496 finden wir Kopernikus wieder in Italien, in Bologna, wo er während vier Jahren das kanonische Recht, daneben aber auch Griechisch und Astronomie studierte. Den größten Teil des Jahres 1500 verbrachte er dann im Rom, wo er ein juristisches Praktikum an der päpstlichen Kurie absolvierte. 1501 kehrte Kopernikus vorübergehend nach Polen zurück, doch noch im gleichen Jahr nahm er in Padua das Studium der Medizin auf. Obwohl er nicht den ganzen Lehrgang, der nach drei Jahren mit dem Doktorgrad abschloß, durchlief, arbeitete er später erfolgreich als Leibarzt des Bischofs in Heilsberg und als Arzt des Frauenburger Domkapitels. Daß seine Zeitgenossen den Arztberuf keineswegs als Nebensächlichkeit im Rahmen der Biographie des Kopernikus ansahen, zeigen seine erhaltenen Porträts, von denen allein das römische Museo Copernicano schon im 19. Jahrhundert über 200 besaß. Sie gehen, über ein verlorenes Original, fast alle auf das von Tobias Stimmer gemalte Ölbild an der astronomischen Uhr des Straßburger Münsters zurück und zeigen Kopernikus meist mit einem Maiglöckchen, einem Symbol des ärztlichen Standes, in der Hand. Am 31. Mai promovierte Kopenikus in Ferrara, wo die Gebühren wesentlich niedriger waren als an anderen norditalienischen Universitäten, zum Doktor des kanonischen Rechtes und kurz darauf reiste er, nun endgültig, nach Preußen zurück.

Die ersten Jahre nach seiner Rückkehr verbrachte der junge Domherr als Arzt und Assistent seines Onkels in Heilsberg, doch um 1510 siedelte er nach Frauenburg über. Noch im gleichen Jahr übernahm er die Ämter des Kapitelvisitators für die Wirtschafts- und Finanzkontrolle und des Kapitelkanzlers, das er drei Jahre lang ausübte. Zeitweise führte er auch die Aufsicht über die Bäckerei, die Mühlen und Brauereien des Kapitels. Anfang November 1516 wurde Kopernikus zum Administrator, d. h. zum Verwalter der Landgüter des Kapitels, gewählt, ein Amt, das er bis 1519 und wieder während des fränkischen Reiterkrieges von 1520 bis 1519 und wieder während des fränkischen Reiterkrieges von 1520 bis 1521 versah.

Da der hauptsächliche Kapitelbesitz, rund 120 Dörfer mit einer Anbaufläche von ca. 61000 Hektar, im Süden des Ermlandes, in den Ämtern Allenstein (Olsztyn) und Mehlsack (Pieniezno) lag, residierte der Administrator nicht in Frauenburg, sondern im Schloß Allenstein. Im Jahre 1523, nach dem Tode des Bischofs Fabian von Lossainen, amtierte Kopernikus während 8 Monaten auch als Generaladministrator des ganzen Ermlandes. Später und bis fast in sein siebzigstes Lebensjahr übernahm er zwar noch eine ganze Reihe von Ämtern, doch widmete er sich nun vermehrt seinen medizinischen Pflichten und astronomischen Studien. Kopernikus starb am 24. Mai 1543 in Frauenburg, an dem Tage, an dem auch das erste Exemplar der "De revolutionibus orbium coelestium" dort eintraf. Er wurde im Dom von Frauenburg begraben, doch ging die Kenntnis der genauen Lage des unbezeichneten Grabes schon vor langer Zeit verloren.

Unter der Herrschaft des Deutschen Ordens, der strikt auf sein Münzmonopol achtete und den Städten in seinem Gebiet keine Prägerechte zugestand, waren die silbernen, im Namen des jeweiligen Großmeisters geschlagenen Schillinge und die oft anonymen Denare oder Pfennige die offiziellen Münzen Preußens. Der Aufstand der preußischen Stände und der Städte Danzig, Elbing und Thorn, die sich im Jahre 1454 mit polnischer Hilfe in Waffen gegen die Ordensherrschaft erhoben, führte zu einem Krieg, der als der 13jährige in die Geschichte einging und erst 1466 mit dem Frieden von Thorn und der Niederlage des Ordens sein Ende fand. Da er für die Kriegsführung weitgehend auf teure Söldner angewiesen war, steuerte der einst blühende Staat des Deutschen Ordens in diesen 13 Jahren in den finanziellen und wirtschaftlichen Ruin. Wie immer in solchen Situationen verfiel man auch in diesem Falle für die Finanzierung der Kriegskosten auf die wenig originelle Idee einer Münzverschlechterung. 1466 war der Silbergehalt des Schillings denn auch auf die Hälfte abgesunken und Preußen wurde von schlechten Denaren aller Art überschwemmt. Kaum besser als das Kriegsgeld des Ordens waren die Schillinge, welche seine Gegner, die Städte Danzig, Thorn und Elbing, aufgrund eines ihnen vom polnischen König für die Kriegszeit verliehenen Münzrechtes prägten.

Da sich der Ordensstaat nach dem Frieden von Thorn und dem Verlust seiner reichsten Provinzen nicht nur nicht zu erholen vermochte, sondem in immer größere finanzielle Bedrängnis geriet, nahm auch die Qualität seiner Münzen bis zu seiner Umwandlung in das polnische Vasallenherzogtum Preußen im Jahre 1525 stetig weiter ab. Um 1520, während des sogenannten fränkischen Reiterkrieges geprägte Schillinge des Hochmeisters Albrecht von Brandenburg bestanden schließlich fast nur noch aus Kupfer.

Vor allem seit 1466 liefen in Preußen auch in zunehmendem Maße Halbgroschen oder Kwartniks um, die wichtigste polnische Silbermünze, die in der Hauptstadt Krakau für Polen und in anderer Ausführung in Wilna für Litauen geprägt wurde. Die Einführung von Kreuzgroschen durch Johann von Tiefen, von 1489 bis 1497 Hochmeister des Deutschen Ordens, weist ebenfalls auf den steigenden Einfluß Polens und seiner Währung hin. Diese Münze im Werte von 9 Schillingen entsprach ungefähr dem polnischen Groschen und war dazu bestimmt, den Handel mit Polen zu erleichtern.

Obwohl der polnische Groschen durch den 13jährigen Krieg etwas weniger an Wert verlor als der preußische Schilling, litt auch er schon seit seiner Einführung im frühen 14. Jahrhundert unter einem dauenden Wertverlust. So prägte man aus einer polnischen oder Krakauer Mark (zu 200 g) feinen Silbers:
- um 1300    96 Halbgroschen (48 Groschen)
- um 1370  145 Halbgroschen
- um 1430  300 Halbgroschen
- um 1460  400 Halbgroschen
- um 1505  500 Halbgroschen
Noch sehr viel schlechter als die polnischen Halbgroschen aus Krakau waren die sogenannten "Pölchen", ihre Imitationen aus dem schlesischen Schweidnitz, einer Münzstätte, die dem seit 1517 in Ungarn regierenden König Ludwig II. gehörte. Die Schweidnitzer Halbgroschen - von den Polen als Fälschungen bezeichnet - führten zu einem Handelskrieg und der Schließung der polnischen Grenzen, doch wurde ihre Prägung erst nach dem Tode Ludwigs II. in der Türkenschlacht von Mohacs (1526) eingestellt.

Kopernikus, der als Domherr in schwierigen Zeiten einen mehr als durchschnittlichen wirtschaftlichen Sachverstand bewies, lernte die Nachteile, die sich aus dem in Preußen herrschenden Münzchaos und den ständigen Münzverschlechterungen ergaben, durch seine ihm vom Domkapitel übertragenen Ämter genau kennen. Er bemühte sich die Fehler des Währungssystems, deren schädliche Folgen für jedermann erkennbar waren, wissenschaftlich zu analysieren und die ihnen zugrundeliegenden allgemeinen Gesetze zu ergründen. Die Ergebnisse seiner Studien, die er schon 1519 in Allenstein in einer Skizze in lateinischer Sprache festgehalten hatte, präsentierte Kopernikus im März 1522 dem preußischen Ständetag in Graudenz, bei dem er sein Domkapitel vertrat. Da das Protokoll der Versammlung erhalten blieb, sind auch diese Ausführungen auf uns gekommen. (Kopernikus wandte sich in Graudenz vorwiegend an Bürger und Adlige, nicht an Gelehrte, und faßte daher seinen Vortrag deutsch, in der Verhandlungssprache des Landtages, ab.)

Zu Beginn des ersten, allgemeinen Teils seiner Ausführungen erklärt Kopernikus den Vorteil, den Münzen gegegenüber ungemünztem Edelmetall als Tauschmittel bieten. Er gibt dann an, wodurch der Wert der Münzen verringert wird (und eine mindestens vorübergehende Überbewertung eintritt): dies geschehe, wenn bei korrektem Gewicht einer Münze ihr Gehalt an Edelmetall oder bei korrekter Feinheit das Gesamtgewicht oder gar beides gleichzeitig reduziert werde. Münzen sind dagegen unterbewertet, wenn sie mehr Edelmetall enthalten als ihrem Nennwert entspricht. Solche Münzen können dem Umlauf mit Gewinn entzogen und eingeschmolzen werden. Aus diesen Feststellungen folgt logisch das Gesetz, das heute nach Sir Thomas Gresham, einem Finanzmann im elisabethanischen England, benannt wird und das besagt, daß schlechtes Geld gutes verdrängt. Dieses Gesetz wurde weder von Kopernikus noch von Gresham je explizit formuliert, doch geht aus ihren Ausführungen klar hervor, daß ihnen seine Wirkungsweise bekannt war.

Nach der Bemerkung, daß Münzen, welche durch Abnützung untergewichtig wurden, regelmäßig erneuert werden müssen, erklärt Kopernikus, daß der größte Schaden entsteht, wenn ein Münzherr, ein Fürst oder eine Stadt, versucht aus der Münzprägung Gewinn zu ziehen, indem er bei äußerlich unverändertem Aussehen und Nennwert neue Münzen mit verschlechtertem Schrot oder Korn in Umlauf bringt. Damit betrügt ein Münzherr nicht nur seine Untertanen, sondern auch sich selbst, denn sein Gewinn ist nicht von Dauer. Dieser erste Teil des Traktates endet mit einem Gleichnis: "Dem Landesherrn, der minderwertige Münzen prägen läßt, ergeht es wie dem geizigen Landmann, der schlechten Samen aussät, um am guten zu sparen und noch schlechteren erntet, als er säte. Ein solches Vorgehen vernichtet den Wert der Münze, wie Unkraut das Getreide, wenn es überhand nimmt."

Im zweiten, speziellen Teil schildert Kopernikus den stetigen Niedergang des preußischen Schillings seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts als er noch 25 % Silber enthielt. Als der polnische König Kasimir den Städten Danzig, Thorn und Elbing 1454 zuerst ein zeitlich befristetes und den ersten beiden 1457 ein ewiges Prägerecht einräumte, begannen diese den Silbergehalt auf 20 % zu senken. Später sank der Silbergehalt noch weiter ab und es ist kein Ende dieser Entwicklung abzusehen.

Anschließend folgt eine Klage, wie sie auch aus dem Deutschland der Kipper- und Wipperzeit vielfach überliefert ist (und die ich hier in heutigem Deutsch wiedergebe): "An so tiefen Schäden leidet die preußische Münze, und damit das ganze Land, Die Goldschmiede allein haben den Nutzen aus diesem Verfall des Landes, denn sie lesen die alten Münzen aus, scheiden aus denselben das Silber und nehmen wiederum in anderer Münze mehr Silber vom unverständigen Volke. Und da die alten Schillinge schon ganz verschwunden sind, so lesen sie nun diejenigen aus, welche jenen am nächsten kommen, gleich wie den Weizen aus dem Drespen. Es gebietet die Not, solche schädlichen Zustände zu reformieren, bevor ein großes Unglück geschieht."

Die Denkschrift gibt dann an, wie die Reform durchzuführen ist. Es darf für das ganze Land nur noch eine einheitliche Münze und eine Münzstätte geben und ohne Zustimmung des Landes und der Städte dürfen keine weiteren errichtet werden. Ein Gesetz soll bestimmen, daß aus einem Pfunde feinen Silbers nicht mehr als zwanzig Mark geschlagen werden. Kopernikus schließt mit der Forderung: "Wenn aber das Prägen der neuen Münze angefangen wird, muß der Gebrauch der alten Münze gänzlich verboten und im Münzhause müssen dreizehn Mark des alten Geldes gegen zehn Mark der neuen Schillinge oder Skoter umgewechselt werden. Diesen Schaden muß man einmal tragen, damit ein beständiger Nutzen daraus erwachse; im übrigen wird es genügen, wenn die Münze in 25 Jahren erneuert wird." Die Vorschläge des Kopernikus scheinen uns heute vernünftig; bei seinen Zeitgenossen trugen sie ihrem Verfasser zwar den Ruf eines Münzexperten ein, sie waren aber aus verschiedenen Gründen nicht gewillt sie in die Praxis umzusetzen. Die Städte wollten nicht auf ihre Privilegien und den Prägegewinn verzichten; der Hochmeister des Deutschen Ordens vertrat gezwungenermaßen eine ähnliche Ansicht, denn die leeren Kassen des Ordens hätten das für die Reform erforderliche Silber nicht mehr herzugeben vermocht. Der polnische König wünschte die Angleichung der preußischen an die polnische Währung und der preußische Adel und die Geistlichkeit waren zwar für eine einzige Münzstätte, aber sie sollte im königlichen Preußen liegen. Es geschah nun, was wir auch heute aus ähnlichen Situationen kennen: Es wurde verschoben und vertagt, in Diskussionen wurden die endlos gleichen Argumente vorgebracht und die Frage der Reform dann an einen Unterausschuß verwiesen und mehr als einmal erwiesen sich Versammlungen als nicht beschlußfähig.

Bis zum Herbst des Jahres 1530 nahm Kopernikus mehrfach an Landtagen teil, welche die Münzreform in Preußen diskutierten, und zwischen 1526 und 1529 verfaßte er nochmals eine Abhandlung - diesmal wieder lateinisch -, welche seine früheren Ausführungen in etwas anderer Formulierung wiederholte, aber auch einige Ergänzungen und Stellungnahmen zu einem von Justus Ludwig Decius, dem Privatsekretär König Sigismunds I. und späteren Münzmeister in Thorn, unterbreiteten Reformprojekt enthielt. In diesem Traktat schickte Kopernikus seinen technischen Ausführungen die folgende Betrachtung voraus: "Unter den zahllosen Übeln, welche den Verfall ganzer Staaten zur Folge haben, sind wohl vier als die wichtigsten anzusehen: innere Zwietracht, hohe Sterblichkeit, Unfruchtbarkeit des Bodens und die Verschlechterung der Münzen. Die ersten drei liegen so klar zu Tage, daß sie kaum jemand übersehen wird. Das vierte Übel aber, das von der Münze ausgeht, wird nur von wenigen beachtet und nur von solchen, die tiefer nachdenken, weil nämlich die befallenen Staaten nicht sofort, sondern ganz allmählich und in fast unsichtbarer Weise dem Untergang anheimfallen." Der Verfasser erklärt dann, warum dem Münzsilber Kupfer zulegiert wird und nennt als Gründe die erhöhte Abriebfestigkeit und die für Kleinmünzen erforderliche Mindestgröße. Auf die bereits bekannte Darstellung der neueren Geschichte des preußischen Münzwesens, folgt eine recht scharfe Kritik der Regierenden: "Wenn hier nicht bald Abhilfe erfolgt, wird Preußen bald nur noch Münzen kennen, die nichts als Kupfer enthalten. Dann wird jeder Handel mit dem Ausland aufhören, denn welcher Kaufmann will seine Waren gegen Kupfermünzen verkaufen?" "Einem solchen Verfall des preußischen Landes sehen die Machthaber unbeteiligt zu; sie lassen unser geliebtes Vaterland, dem wir alles verdanken, dem wir selbst unser Leben schulden, durch kopflose Nachlässigkeit immer weiter kläglich verderben." Kopernikus wendet sich auch gegen die falsche Ansicht, daß die Münzverschlechterung für die Armen günstig sei, weil sie ihnen erlaube Getreide billig zu erstehen: "Außer inneren Gründen lehrt die Erfahrung: die Länder mit gutem Gelde blühen; sie gehen unter, wenn dieses schlecht wird. So blühte einst auch Preußen, als die Mark für zwei ungarische Gulden gekauft wurde ..., jetzt aber, da die Münzen täglich schlechter werden, versinkt unser Vaterland und es ist dem Untergang bereits ganz nahe." "Überdies blühen Handel und Wandel, Kunst und Gewerbe, wo das Geld gut ist. Wo es jedoch schlecht ist, werden die Menschen schlaff und träge, sie vergessen die Pflege des Geistes. Noch können wir uns erinnern, wie in Preußen alles billig war, als gutes Geld umlief. Jetzt aber ist der Preis alles Lebensnotwendigen gestiegen. Es ist klar, daß leichtes Geld die Trägheit fördert, der Armut aber keinesfalls abhilft." Nach diesen eher moralischen als wissenschaftlichen Betrachtungen fügt Kopernikus noch hinzu: "Auch werden die Zinspflichtigen durch die Verbesserung des Geldes keineswegs zusätzlich belastet; wenn sie ihren Herren mehr als vorher zu zahlen scheinen, so vergesse man nicht, daß sie auch für Vieh und Korn mehr erlösen. Einnahmen und Ausgaben steigen im gleichen Verhältnis."

1526 und 1529 kam es endlich zu halbherzigen und kurzlebigen Teilreformen des preußischen Münzwesens, doch der politisch und finanziell zu schwache König wollte weder auf den Prägegewinn verzichten, noch konnte er eine dauerhafte Reduktion der Zahl der von ihm kaum zu kontrollierenden Münzstätten oder den Einzug der alten, abgeschafften Münzen durchsetzen. Für Kopernikus, der sich nach 1530 immer mehr auf seine ärztlichen Pflichten und seine astronomischen Studien zurückzog und die diplomatische Vertretung seines Kapitels und des Bischofs des Ermlandes auf Landtagen anderen überließ, bedeutete diese Entwicklung zwar vielleicht eine Enttäuschung, doch kam sie nicht unerwartet. Schon im Jahre 1528 hatte er in einem Briefe an Felix Reich, einem anderen Frauenburger Domherrn, vorausgesagt: "Wenn in der Münzangelegenheit nicht anders verfahren wird als bisher, wird es, fürchte ich, nur noch schlimmer kommen; man wird nämlich nicht aufhören, Münzen in gewohnter Weise zu prägen. Warum sollten sie auch aufhören dies zu tun, wenn dabei nur Gewinn zu erwarten ist und, der Ausgang mag sein, wie er wolle, keinerlei Schaden."

Wer heute das einstige Preußen besucht, eine sowohl wegen der landschaftlichen Reize, wie auch der kulturgeschichtlichen Denkmale ungemein lohnende Reise, findet Kopernikus-Gedenkstätten in Thorn (Torun), Allenstein (Olzstyn) und Frauenburg (Frombork), Die letzte - sie befindet sich in dem nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebauten Palast des Bischofs des Ermlandes - erinnert nicht nur an die astronomische Leistungen des Frauenburger Domherrn, sondern widmet auch seinen geldtheoretischen Arbeiten eine eigene Abteilung.


Siehe auch die anschliessende Polnische Münzreform von 1526/28




Startseite Numismatische Texte coingallery.de