Schlägt man im "Lexikon der Numismatik"*1 unter dem Stichwort "Klippen" nach, so erfährt man, daß es sich bei solcherart bezeichneten Stücken um "rechteckige, quadratische, rautenförmige, aber auch mehreckige Münzen von regelmäßiger oder unregelmäßiger Gestaltung" handelt. Die Bezeichnung kommt aus dem, Schwedischen und bedeutet soviel wie "mit der Schere geschnitten". Im Transpress-Lexikon Numismatik*2 steht darüber noch: "... ursprünglich Bezeichnung für eine Notmünze, die aus Mangel an Fachleuten, Werkzeugen oder aus Zeitgründen ... aus dem zu einem Blech ausgehämmerten bzw. gewalzten Zain geschnitten wurde." Die ältesten bekannten Klippen stammen von einer Belagerung der norditalienischen Stadt Pavia von 1524. Ähnliche Belagerungsmünzen ließ Papst Giemens VII. 1527 in der Engelsburg aus Silbergerät schlagen. Bekannter sind die Stücke, die 1529 in Wien geprägt wurden. Es gab dort Klippen zu 1 und 6 Kreuzer sowie 1/4 und 1/2 Taler in Silber, dazu sehr seltene Goldstücke im Dukatengewicht. Schließlich wurden auch bei der Belagerung der Stadt Jülich (1543) solche eckigen Notmünzen herausgegeben, bevor wir in die Zeit der Schweinfurter Belagerungsklippen von 1553 kommen. Für die abweichende Form dieser Geldstücke gibt es im wesentlichen zwei Gründe: 1. Man hatte weder die technische Ausrüstung noch die Zeit, "normale" Münzen prägen zu lassen (s.o.), und 2. man wollte solche in einer Ausnahmesituation geprägten Geldstücke ganz bewußt von den "normalen" unter ordnungsgemäßer Verwaltung des Münzregals und in Verantwortung vor Bürgern, Reichskreis und Kaiser entstandenen Münzen unterscheiden. Worum ging es bei der Belagerung von Schweinfurt im Jah.re 1553? Nachdem der Kaiser die Belagerung von Metz aufgehoben hatte, entließ er den Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach am 17. Januar mit hoher Anerkennung seiner dabei geleisteten Dienste. Auf die Plassenburg zurückgekehrt, rüstete der Markgraf sofort zum Krieg gegen die Bischöfe von Bamberg und Würzburg sowie gegen die Reichsstadt Nürnberg, da diese die Bedingungen eines zwar erzwungenen, aber vom Kaiser bestätigten Vertrages nicht erfüllten. Die Geistlichkeit verbündete sich darauf mit Herzog Heinrich von Braunschweig und erreichte eine Annullierung des umstrittenen Vertrages beim Kaiser. Als sich schließlich auch noch Moritz von Sachsen gegen ihn erklärte, sah Albrecht seine einzige Rettung im Losschlagen. Er besiegte die Bischöflichen bei Pommersfelden, nahm Bamberg, verwüstete das ganze Bistum, ging dann auf Würzburg und Nürnberg los und besetzte am 2. Pfingsttag die Reichsstadt Schweinfurt. Die Besetzung der Stadt - es handelte sich um eine geschickt geplante Überrumpelung - wurde von Schweinfurter Geschichtsschreibern immer als grobes Unrecht angesehen. Man vergißt dabei leicht, daß einer der Hauptfeinde Albrechts das stets mit Schweinfurt befreundete Nürnberg war, und daß Schweinfurt im Verlaufe des Krieges als strategisch günstig gelegene Reichsstadt sicher zu einem Stützpunkt der Reichsgewalt gegen Albrecht ausgebaut worden wäre. Angesichts der großen Überlegenheit seiner Gegner glaubt Albrecht, diese - wenn überhaupt - nur einzeln schlagen zu können. Er zieht nach Braunschweig, doch verläßt ihn jetzt das Kriegsglück. Außerdem dringen nun bischöfliche und Nürnberger Truppen plündernd und brandschatzend in seine Stammlande ein. Zwar gelingt es Albrecht nochmals, den Feind zu vertreiben, doch wird die militärische Lage - insbesondere nach Verkündung der Reichsacht (20. Dezember) bald unhaltbar. Nur die brandenburgischen Besatzungen von Schweinfurt, der Festung Hohenlandsberg und der Plassenburg können sich im Schutz der Festungswerke noch behaupten. Was geschah in Schweinfurt während der langen Zeit der Besetzung durch die Truppen des Markgrafen? Vermutlich ging es zunächst noch ganz erträglich zu. Solange die markgräflichen Truppen in Franken am Zuge waren, gab es genügend Gelegenheit, in den umherliegenden fürstbischöflichen Dörfern Kontributionen einzutreiben und zu plündern. Dies änderte sich mit Beginn der Belagerung der Stadt durch die verbündeten Truppen der Feinde des Markgrafen. Alle Zufuhren waren abgeschnitten, die Soldaten hatten ihr letztes Geld ausgegeben und fingen an zu murren. Über die damalige Lage berichtete Kilian Göbel, der spätere Reichsvogt von Schweinfurt:
Die Knechte (Landsknechte) hatten also ungestüm ihren rückständigen Sold verlangt, waren von den Hauptleuten und vom Oberst aber vertröstet worden. Diese setzten nun aber den Rat unter Druck, der daraufhin, um eine Plünderung zu vermeiden, bei allen wohlhabenden Bürgern Geld, Silbergeschirr und andere Wertsachen sammeln ließ. Daß diese Beträge vom Militär als "Anleihe" deklariert wurden und nicht als Brandschatzung, wie dies in Feindesland üblich gewesen wäre, weist auf ein nach Lage der Dinge überraschend korrektes Verhalten der Besatzungsmacht hin. Trotz der o. a. Drohungen scheint es der Schweinfurter Bevölkerung unter der brandenburgischen Besatzung sehr viel besser gegangen zu sein als wenige Jahre vorher während der Einquartierungen im Zuge des Schmalkaldischen Krieges.*4 Aus dem abgelieferten Silber wurden nun - sicher in Regie der Besatzungsmacht - Klippen hergestellt und den Landsknechten ausbezahlt. Daß die Truppen einen eigenen Stempelschneider mitgebracht oder angeheuert hatten, ist recht unwahrscheinlich; vermutlich stellte ein geschickter Büchsenmacher die Stempel und die Schrötlinge her. Die Mitwirkung von Schweinfurter Gold- bzw. Silberschmieden*5 ist zwar möglich*6, erscheint dem Verfasser aber aus stilistischen Gründen nicht sehr wahrscheinlich. Belagerungsklippen aus dem Markgräflerkrieg sind neben Schweinfurt auch aus Hof und von der Festung Hohenlandsberg bezeugt.*7 Welche dieser sog. "Schweinfurter Klippen" gehört denn nun tatsächlich nach Schweinfurt? Freiherr v. Schrötter bringt in seinem Werk über die Münzen von Brandenburg in Franken*8 - sieht man einmal von den der Plassenburgbesatzung zugeschriebenen runden Stücken ab - 17 verschiedene Varianten "Schweinfurter Belagerungs-Notmünzen.*9 11 Varianten (774, 777, 778, 779, 780, 781, 782, 787, 788, 789, 790) tragen den Adlerschild mit dem Zollernwappen auf der Brust (Abb. 1), 5 weitere (785, 786, 758 a - muß heißen 785 a -, 783, 791) das schwarzweiß geviertelte Wappen der Hohenzollern Abb.7). Im Bestreben, allen dreien der in einem heute leider verschollenen Manuskript benannten Klippen-Prägeorten*10, welche der vorhandenen Prägungen zuzuordnen, weist v. Schrötter die Klippen mit dem Hohenzollernschild nach Schweinfurt, die Klippen mit den Adlerdarstellungen aber nach Hof und Hohenlandsberg*11. Er bezieht sich dabei auf den Fundort (Wonfurt) der einzigen Klippe, über die ein Fundbericht vorliegt*12 und schließt von der räumlichen Nähe dieses Fundorts auf Schweinfurt als Ursprungsort dieser Type (Hohenzollernschild). Gegen die Annahme, die Adlerklippen stammten nicht aus Schweinfurt, sprechen nach Ansicht des Verfassers vor allem zwei Gesichtspunkte. Einmal gibt es in Franken Adlerdarstellungen mit Zollernbrustschild sonst erst ab 1612, d. h. der Adler war für die Belagerten kein bekanntes Symbol auf Münzen, während Adlerdarstellungen in Schweinfurt bereits auf den Mittelaltermünzen auftauchen und - das ergibt sich u. a. aus ihrem Gebrauch im Stadtsiegel - hier immer Symbolwert behielten. Zum anderen existiert eine Adlerklippe mit eindeutig auf Schweinfurt bezogenem Rückseitentext (Abb.1): 1553 6. IVNII HAT M(arkgraf) A(lbrecht) V(on) BRAN(denburg) SGHWINFVRT INGENOMEN 1554 20 VNII VON BOM(berg) WIRTZ(burg) NVRNBER(g) VERBRENT. Da gerade dieses Stück auf seiner Vorderseite alle Merkmale eines hastig hergestellten Notgeldes aufweist (s. Abb.), erscheint es recht unwahrscheinlich, daß diese "Gedenkmünze" ein nicht während der Belagerung der Stadt in Schweinfurt hergestelltes Stück sein soll. Der Verfasser ist demnach der Ansicht, daß in Schweinfurt beide Arten von Notklippen, die mit dem Zollernschild und die mit dem Adler, geprägt wurden, und zwar in weit größerer Anzahl als in Hof (hat bereits am 28.11.1553, d. h. wenige Wochen nach Beginn der Belagerung kapituliert) oder auf dem Hohenlandsberg (hier bestand offenbar die Möglichkeit zu brandschatzen mindestens bis zum Jahreswechsel 1553/54, d. h. die Belagerung muß erst später begonnen haben*13). Auch dürfte bei der rein militärischen Besatzung des Hohenlandsbergs, dessen Soldaten während der Belagerung ohnehin kaum Gelegenheit zum Geldausgeben gehabt hatten, das Motiv für eine ausgedehnte Notgeldprägung weitgehend gefehlt haben. Vielleicht stammt das nach Stil und Machart völlig unterschiedliche Stück v. Schrötter Nr.773 aus Hof oder vom Hohenlandsberg. Gegen die Ansicht, Adlerklippen oder Wappenklippen könnten gleichzeitig an mehreren Orten geschlagen worden sein, steht die Überlegung, daß hierfür nicht nur eine rege Kommunikation der Belagerten notwendig gewesen wäre, sondern auch eine Autorität, die sich für die Gestaltung der Notklippen interessiert hätte. Eine solche Vermutung erscheint dem Verfasser unhaltbar. Längst bekannt ist die Tatsache, daß nicht alle "Schweinfurter Notklippen" aus der Zeit stammen. Genau wie bei anderen, ähnlichen Prägungen (z. B. bei den Bonner Klippen von 1583)*14 gibt es Nachprägungen. Besonders die Goldklippen wurden häufig erst später hergestellt. Sicher eine Nachprägung ist das gefällig aufgemachte und schön zentrierte Stück mit der Jahreszahl 1552 (!), das v. Schrötter unter Nr.790 abbildet. Auch die Nr. v. Schrötter 791 zeigt Merkmale einer frühen Imitation. Daneben gibt es auch relativ leicht zu erkennende Nachahmungen aus dem 19. Jahrhundert. Von den ihm bekannten Schweinfurter Goldklippen hält v. Schrötter nur das Stück im Gothaer Münzkabinett für ein Original*15. Auch im Grundstein des heutigen Schweinfurter Rathauses soll - neben anderen Belegen - eines der raren Goldstücke eingemauert sein*16. Die silbernen Schweinfurter Klippen galten unter den Numismatikern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts nicht als selten*17 und werden, wenn sie heute gelegentlich auftauchen, wohl zu unrecht als Rarissima bezeichnet. Natürlich wird der Preis letzten Endes immer von Angebot und Nachfrage bestimmt. Wenn sich - wie das heute der Fall zu sein scheint - genügend Sammler auf Notmünzen, Klippen oder Reichstädte spezialisieren - auch die Preußensammler interessieren sich oft für diese Hohenzollern-Klippen - können auch solche Prägungen schwer erreichbar werden.
Anmerkungen
|
![]() |
Numismatische Texte | coingallery.de |