Herzog Heinrich d. J. von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel, der 1514 im Alter von 25 Jahren die Regierungsgeschäfte übernahm, war sicherlich einer der bedeutendsten, aber auch der umstrittensten Herrscher des Welfenhauses. Aus einer allgemein konservativen Grundhaltung heraus, die er u. a. schon durch seine Teilnahme an der Niederschlagung des Bauernaufstandes unter Beweis gestellt hatte, war er, umgeben von protestantischen Nachbarn (z. B. Philipp der Großmütige von Hessen, Joachim II. von Brandenburg, Johann Friedrich von Sachsen) katholisch geblieben und seit 1538 Führer des Nürnberger Bundes, der als Gegengewicht zum 1531 gegründeten Schmalkaldischen Bund konstituiert wurde. Anlaß der Gründung des Schmalkaldischen Bundes war der Abschied des Augsburger Reichstages von 1530, der den protestantischen Ständen mit der Reichsexekution gedroht hatte. Zu den Gründungsmitgliedern zählten u. a. auch die Welfenherzöge Philipp von Grubenhagen, Ernst von Lüneburg, die Städte Lübeck, Magdeburg und Bremen, später auch Braunschweig, Göttingen und Goslar. Die Stärke des Bundes ermöglichte es, die auf Rekatholisierung gerichtete Politik des Kaisers zu unterlaufen. Als wichtigen Erfolg konnten die Schmalkaiden 1534 die Rückeroberung des habsburgisch gewordenen Herzogtums Württemberg erreichen. Zwischen Heinrich d. J. und den Städten Braunschweig und Goslar bestand schon seit längerer Zeit eine scharfe Konkurrenz. Als im Frühjahr 1538 eine Tagung des Schmalkaldischen Bundes in der Stadt Braunschweig, die mitten im Herzogtum Wolfenbüttel lag, stattfinden sollte, verweigerte Heinrich d. J. den Teilnehmern das freie Geleit durch sein Territorium. Auf den Landgrafen Philipp von Hessen ließ Heinrich sogar mit Kanonen schießen. Derlei Vorfälle waren Anlaß der Publikation einer Vielzahl von Streitschriften und Flugblättern, die 1539 einsetzte. Besonders erwähnenswert scheint in diesem Zusammenhang die aus Heinrich d. J. Kanzlei stammende "Duplica H. Heinrichs wider des Churfürsten*1 andern Abdruck ... Dienstag nach Omnium Sanctorum 1540" und Martin Luthers berühmte Schrift "Wider Hans Worst" (1540), in der Heinrich d. J. mit zahlreichen derben Schmähungen bedacht wurde. Soweit zum Hintergrund der Situation. Kieslich*2 veröffentlicht das Epigramm:
Im folgenden soll die erste Strophe, nach Kieslich von der Welfenpartei ausgegangen, etwas näher betrachtet werden. Im Vordergrund steht die Frage, was unter neuer Münze zu verstehen ist. Der Text wurde, wahrscheinlich 1541, auf der Rückseite des letzten Blattes von Nikolaus Amsdorfs "Ein Getichte/darin angezeigt wird, Wie / from Hertzog Heinrich / von Braunschweig / Vnd wie böse die / Luterischen / sein" im Druck o. O. und o. J. publiziert. Der Text ist in drei orthographisch differierenden Drucken auf uns gekommen*3. Kieslich schreibt, daß solcherlei "zugespitzte Spottverse" in gereimter Form in die "Auftragspublizistik" eingegangen seien; sie gehörten nicht zur eigentlichen Aussage und seien lediglich "Zugaben" und "Anhang". Der Verfasser der Spottverse sei mit dem des Gedichts (hier: N. Amsdorf) nicht identisch. "Die Spottverse scheinen vielmehr, sei es, um den freien Raum zu füllen, sei es, um eine im Gedächtnis bleibende Zusammenfassung und Abrundung zu geben, dorthin gesetzt worden zu sein*4." Um die Bedeutung der Strophe klären zu können, ist eine kurze Vergegenwärtigung der monetären Gegebenheiten unter Heinrich d. J. in seinen Landen notwendig. Heinrich trat 1514 im Fürstentum Wolfenbüttel die Regierung an. Mit der Emission von Münzen in seinem Namen wurde erst verhältnismäßig spät, nämlich nachweislich im Jahre 1531 in der Münzstätte Riechenberg bei Goslar*5, begonnen. Dadurch, daß sich Heinrich d. J. 1527 in das Vorkaufsrecht des am Rammelsberg gewonnenen Silbers setzte, stand ausreichendes Material zur Prägung zur Verfügung. Im 13. Jahrhundert hatten die Welfenherzöge die Berghoheit über den Rammelsberg an die Stadt Goslar verpfändet. Heinrich d. J. löste das Pfand 1527 ein und sprach der Stadt jegliches Recht (insbesondere das Vorkaufsrecht für Silber, welches Grundlage einer intensiven Prägetätigkeit gewesen war*6), am Rammelsberg ab. Das gesamte Metall sollte in der herzoglichen Kammer abgeliefert werden. Goslar protestierte, es kam zur tätlichen Auseinandersetzung, zur Anrufung des Reichskammergerichts und des Reichstages*7. Der Reichstag stellte 1530 den Verkauf des verhütteten Metalls unter Zwangsverwaltung. Es wurde bestimmt, daß bis auf eine endgültige Entscheidung von den Hüttenherren alles Metall dieser Verwaltung zum Verkauf eingebracht und das gekaufte Silber je zur Hälfte in die herzogliche und in die städtische Münzschmiede abgegeben werden sollte ... *8. So wurden seit 1531 in Riechenberg Taler*9 geprägt; die Größe des Schrötlings ermöglichte den Stempelschneidern, auf der Münze viel Text und Bild wiederzugeben. Auf diesen frühen Großsilbermünzen (seit 1532 emittierte man auch Teilstücke bis zum Orth*10) erschien auf dem Avers zum Wappen die Titulatur in der Legende (Variationen!): HENRI(cvs) IVNI(or) DEI GRA(tia) BRV(nsvicensis) E(t) LVNE(bvrgensis) D(vx). Auf dem Revers fand sich ein sitzender Krieger im Harnisch mit der Devise IVSTVS NON DERELlNQVITUR in der Legende*11. Dieser Münztyp wurde bis einschließlich 1538 ausgebracht. Umstritten ist, wann in der herzoglichen Münzstätte Goslar mit der Prägung begonnen wurde. Knigges*12 und Knyphausens*13 Zuordnungen auf 1535 müssen stark angezweifelt werden, da sie anhand von unbekannten Münzmeistern resp. deren Münzzeichen erfolgten. Buck geht vom Jahr 1547/48 aus, was auch mir realistisch erscheint; so könnte man die drei unbekannten Münzmeisterzeichen (vgl. Welter, Bd.3, S.19) vor das Jahr 1551 legen*14.
Seit 1539 tritt anstelle des Kriegers das Brustbild Heinrich d. J.*15; die Legende auf dem Avers bleibt, auf dem Revers erscheint eine neue Devise: NON VIDI IVSTVM DERELlCTVM. Dieser Typ wurde bis einschließlich 1542 ausgebracht. Mit dem Verlassen der Lande durch Heinrich d. J. ruhte der Hammer in Riechenburg von 1543 bis 1546*16; das Inventar der Münzstätte wurde nach Goslar überführt. Goslar münzte die sog. Schmalkaldischen Bundestaler (auch Teilstücke) von 1542 bis 1546. Als Heinrich 1547 wieder in Besitz seiner Lande kam, wurde auch die Münzprägung wieder aufgenommen. Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, daß nun eine Devise in deutscher Sprache, für damalige Zeit recht ungewöhnlich, auf den Talern und Teilstücken erschien: IN GOTS GEWA(lt) HA(b) I(ch) M(ein) S(ach) G(e)STALT GOT HA(ts) GEFV(egt) D(ass) M(irs) GEN(vegt) (Varianten!)*17.
Seit 1548, sieht man von Stempelkoppelungen ab, wurde die Devise in leicht verändertem Wortlaut (wahrscheinlich wegen des Metrums) gebracht: IN GOTS GEWALT HAB I(chs) GESTALT DE(r) H(ats) GE(fvegt) D(ass) M(irs) G(e)N(vegt) (viele Varianten!)*18. Somit erscheint erstmals eine deutsche Devise auf welfischen Münzen. Vergegenwärtigt man sich die folgenden deutschsprachigen Devisen auf Welfenmünzen, so wird deutlich, daß sie oftmals einen direkten Anlaß haben*19. So beispielsweise Philipp II. von Grubenhagen nach dem Tod seines Bruders Wolfgang 1595 auf seine Alleinregierung: GOT GIBT UND NIMBT (Weiter Nr.686). Zumindest partiell erscheint im 16. Jahrhundert die Münze als Propagandamittel, wenn auch nicht in dem Ausmaße und in der Prägnanz wie in klassischer Zeit. Ich wage folgende These:
Die Datierung des Ausgangstextes ist schlüssig und wohl nicht anzuzweifeln; gerade aber in diesem Jahr (1541) erscheint es schwierig, den Satz "Neuwe Müntze schlag ich" in seiner Bedeutung zu erfassen. Neue Münzen im Sinne eines neuen Münzfußes resp. einer Änderung des alten, gab es zu der Zeit nicht. Die Emission von Talern hatte bereits vorher begonnen. Beschlüsse seitens des Reichs lagen vorher oder hinterher (1524 Eßlinger Reichsmünzordnung; 1551 Augsburger Reichsmünzordnung). Auch kann keine graphische Neuerung der Münzen gemeint sein. Somit kommt man nicht umhin, neue Münze als MONETA NOVA zu begreifen. MONETA NOVA resp. neue Münze ist nicht wörtlich zu nehmen, sondern es deutet lediglich die Währungseigenschaft dieses emittierten Gepräges an. MONETA NOVA erscheint als Relikt des Mittelalters, als verrufene Pfennige (denarii veteres), die ungültig geworden waren bzw. in ihrem Kurswert valviert erschienen, den allein zum vollen Kurswert gültigen denarii novi entgegengestellt wurden. Im Einklang mit Schrötter*20 ist festzuhalten, daß in diesem Falle neue Münze nichts weiter als die (gewohnheitsmäßige) Erklärung der Kursgültigkeit von Münzen ist. Heinrich d. J. tritt im Epigramm als stolzer, unabhängiger Landesherr auf, der das Münzrecht besitzt und von ihm regen Gebraucht macht. Die Tendenz dieser Aussage findet im folgenden Unterstützung, nämlich, wenn auf die vollen Kassen des Herzogs verwiesen wird. Heinrich stellt sich als machtvoller, finanziell unabhängiger Renaissancefürst dar, an dessen Position die evangelischen bzw. eigenwilligen Gegner nicht zu rütteln haben. Die hohe Selbsteinschätzung, "Hertzog Heinrich bleib ich", sollte schon im folgenden Jahr erschüttert werden, als Heinrich vor den Truppen des Schmalkaldischen Bundes sein Land verlassen mußte und diese in die Residenzstadt Wolfenbüttel einzogen.
Anmerkungen
Literatur
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