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Proklamation statt Krönung
Ferdinand I., Deutscher Kaiser 1558-1564

Gisela Förschner
in: moneytrend 5/1990 S.29-31

Durch Gesetze von 1356 - die Goldene Bulle - war Frankfurt für die Wahl des Deutschen Königs bestätigt worden, aber die Krönung sollte anschliessend in Aachen vollzogen werden. Erstmals war Friedrich II. 1212 von einer Fürstenversammlung in Frankfurt gewählt worden, und seit dieser Zeit war die Königswahl in Frankfurt üblich. Aber 1562 wurde Frankfurt auch Krönungsort an Stelle von Aachen, und so sind zehn Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in Frankfurt gewählt und gekrönt worden. Als am 14. März 1558 die Bevollmächtigten von Kaiser Karl V. in Frankfurt auf dem Kurfürstentag eintrafen und dessen Thronentsagung bekannt gaben, beschwor der designierte Nachfolger, Ferdinand I., neu die Wahlkapitulation.
Seit der Zeit Karls V. mussten alle Kaiser ein Dokument unterzeichnen, durch das den Reichsständen ein Mitspracherecht in Reichsangelegenheiten über die Kirche eingeräumt wurde. Weitere wichtige Artikel waren die Wahrung des Landfriedens, die Anerkennung der Goldenen Bulle und aller Privilegien, Erteilung der Erlaubnis, Kurfürstentage einzuberufen, und der ausdrückliche Verzicht auf die Erblichkeit des Kaisertums. Erst nach der Unterzeichnung übertrugen die Kurfürsten die Kaiserkrone formell an Ferdinand. Karl V. hatte sich schon zwei Jahre zuvor (1556) entschlossen, die Regierung vollständig seinem jüngeren Bruder zu überlassen, um sich nach Spanien zurückzuziehen. Aber bei der Regierungsübernahme war der Tod des Vorgängers Bedingung. Karl V. starb am 21. September 1558 in San Geronimo de Yuste bei Madrid. Als Thronfolger in Spanien hatte er seinen Sohn Philipp eingesetzt.

Kaiserproklamation
Laut Ratsprotokoll der Stadt Frankfurt von 1558 wird den Bürgermeistern am 10. März mitgeteilt: "bei der bevorstehenden Proklamation, weswegen die Pforten (Stadttore) geschlossen gehalten werden".
Am darauffolgenden Dienstag, den 15. März, wird verzeichnet, dass die Lakaien, die den Himmel bei der kaiserlichen Publikation getragen hätten, sich weigerten, diesen aus der Hand zu lassen, wenn ihnen nicht für morgen, sie zu belohnen, zugesagt worden wäre. Gemeint ist der Ritt des Kaisers nach der Proklamation durch die Stadt unter einem Baldachin, wobei die Frankfurter Bürgerschaft dem Kaiser huldigte.
Im Bürgermeisterbuch steht: "als angebracht, es begehre des Reichserbmarschall der von Pappenheim des Stuhles in St. Bartholmes Kirche (=Dom), darauf die kaiserliche Majestät als römischer Kaiser proklamiert, und derselben durch die Kurfürsten die kaiserliche Krone, des Reiches Apfel und anderes dazu gehörend überantwortet worden." Für Sabato, den 19. März 1558, bereitet der kaiserliche Hof den Aufbruch vor. Obwohl der neue Kaiser ausserordentlich grosszügig vom Rat beschenkt worden ist, mit einem vergoldeten Pokal, in dem sich 400 Goldgulden befanden, zwei Fuder Weins, firn und neu in vier Fässern, und hundert Achteln wohlgefegten Hafers, eröffnete der Vizekanzler den Bürgermeistern: "Der Kaiser sei entschlossen, nach Donauwörth aufzubrechen, und obgleich Geld unterwegs, könne er dessen Ankunft nicht abwarten, daher wäre Seiner Majestät gnädiges Ansinnen, weil der Rat ohne dies allem Vernehmen nach, mit einem stattlichen Vorrat an Geld gefasst sei, er möchte seiner Majestät in die 20000 Gulden vorstrecken. Dafür sollte er Versicherung empfangen, dass bis zur Karwoche das Geld zurückgezahlt würde".
Daraufhin beschloss der Rat, 10 000 Goldgulden zu leihen und dabei um Aufschub der Türkensteuer zu bitten. Der gesamte Steueranteil der Stadt betrug 12 800 Gulden, wie in Regensburg festgelegt worden war, und wovon erst die Hälfte bezahlt war. Ausserdem wurden 700 Gulden für die Zubereitung der kaiserlichen Gemächer zurückbehalten.
In diesen Aufzeichnungen wird vermieden, von einer Krönung zu sprechen. Eine genaue Beschreibung des Vorganges befand sich in den Wahltags- und Krönungsakten. Da diese 1944 in Frankfurt verbrannt sind, dienen die Ratsprotokolle und das Bürgermeisterbuch als Quelle.

Gedächtnismedaille 1558
Jetzt erhält auch die hier abgebildete Medaille 1558 ihre Bedeutung als zeitgenössisches Dokument. Das genaue Datum, wie die Ratsprotokolle bekräftigen, den 14. März 1558, nennt die Medaille in der zweiten und dritten Zeile der Umschrift auf der Vorderseite: ANNO MD VIII MARCV DIE XIIII. Dargestellt ist auf der Vorderseite das gekrönte Brustbild Ferdinands I. rechts: FERDINANDVS DG ELECTVS ROMANORVM IMPERATO&, Ferdinand von Gottes Gnaden ausgewählt zum Römischen Kaiser. Er trägt die österreichische Kaiserkrone. Der edelsteinbesetzte Kronreif wird kombiniert mit der bischöflichen Mitra und der älteren Kaiserkrone, was auf die Heiligkeit des Römisch-Deutschen Reiches hinweist. Unter dem Plattenharnisch schaut am Hals der Kragen eines Hemdes hervor und ist umgeschlagen. Über die Schultern fällt der Mantel, zusammengehalten vorn von zwei Fibeln. Der höchste Orden zur Verteidigung des katholischen Glaubens, das Goldene Vlies wird gewöhnlich am feuerroten Band um den Hals getragen, bei feierlichen Gelegenheiten - wie in diesem Fall - aber an der Kette (collane) um Hals und Schultern.

Ferdinand I. 1558-1564
Medaille 1558 auf seine Proklamation zum Kaiser in Frankfurt (unbekannter Medailleur, Wiener Meister [?]).
Vorderseite: Gekröntes Brustbild rechts im Harnisch, umgeschlagenen Halskragen und Vlieskette mit dem Ordenszeichen, umgeben von drei Zeilen Schrift, Lorbeerkranz.
FERDINANDVS D:G. ELECTVS.ROMANORVM. IMPERATO&. ANNO. MD.L.V.III. .MARCV.DIE.XIIII.AE.SVA.55
Rückseite: Doppeladler unter Krone, auf der Brust den mit einer offenen Krone bedeckten quadrierten ungarisch-böhmischen Schild mit dem österreichischen Bindenschild in der Mitte, Umschrift, Lorbeerkranz.
SI AV INF EISP REX GER.HVNG FOH.ARCHIDVX.AVSTRI.D.BVRC CO TWOL.
Silber, alter, überarbeiteter Guss, Ø 44,4 mm, 28,07 g, Foto 7895/a+b/12, 1254/1-2/6 Lit.: J.u.F.227, Tafel 11. Domanig 855, Tafel 99, Domanig, Porträtmedaillen, 78, Tafel 11. Für das Vergleichsstück: Domanig 699, Tafel 79.


Anlass der Medaille
Die feierliche Gelegenheit, zu der die Medaille gefertigt wurde, wird in der numismatischen Literatur unterschiedlich beschrieben: Ferdinands Ausrufung zum Kaiser, die feierliche Übertragung der Kaiserwürde oder seine Wahl in Frankfurt. Eine Verunsicherung bei der Beschreibung des Anlasses ist spürbar.
K. Domanig fügt als Anmerkung hinzu: (Ferdinand wurde) "auf dem Kurfürstentag zu Frankfurt am Main als Kaiser anerkannt. Die feierliche Übertragung der Kaiserwürde an ihn erfolgte nach beschworener neuer Wahlkapitulation am 14. März 1558. Die päpstliche Krönung wurde für unnötig erklärt".

Deutung der Rückseite
Das Wappenschild auf der Brust des Reichsadlers weist auf die ungarisch-böhmischen und die österreichischen Besitzungen hin. Über dem Wappenschild ist die böhmische Königskrone, eine Laubkrone, angebracht. Die Krone, die zwischen den Köpfen des Doppeladlers schwebt, ist die österreichische Kaiserkrone, dieselbe die das Haupt des Kaisers als Symbol der Souveränität auf der Vorderseite der Medaille krönt. In der Umschrift werden alle Titel und Besitzungen erwähnt: SI AV INF EISP REX GER HVVNG BOH ARCHIDVX AVSTRI D BVRG CO TWOL: Selbst der Anspruchs- und Geburtstitel Erbprinz von Spanien (Infantus Hispaniae) wurde nicht aufgegeben, obwohl zum Zeitpunkt der Herstellung der Medaille die Nachfolge in Spanien der Sohn Karls, Philipp II. (1556-1598), bereits angetreten hatte. Es folgen die Titel: König von Deutschland, Ungarn, Böhmen, Erzherzog von Osterreich, Herzog von Burgund, Graf von Tirol. Um die Medaille dem feierlichen Anlass entsprechend auszugestalten, wurden beide Seiten von einem Blattkranz eingefasst.

Unbekannter Medailleur
Der Medailleur, der das viel beachtete Ereignis mit diesem alten Silberguss verewigte, könnte zum Gefolge des neuen Kaisers gehört haben und aus Wien mitgekommen sein. Urkundlich wird er nicht genannt, und das Stück trägt auch keine Signatur. Damit bildet die Medaille 1558 nicht nur den Auftakt der Frankfurter Krönungsmedaillen, sondern steht am Anfang einer neuen Kunstrichtung in Deutschland.

Entstehung der Medaillenkunst
Während der ersten Hälfte des 15. Jh.s (1438) ist in Italien die Medaille als eigene Kunstrichtung entstanden. In Deutschland dann wird diese eigenständige Kunst weiterentwickelt. Sie empfängt aus der Sicht der Gedächtnismedaille seit Anfang des 16. Jh.s (1518) ihre Befruchtung.
Zu Beginn der Kunstgeschichte stehen hervorragende Werke, der Künstler aber bleibt ungenannt. Auch hier steht der Ausführende im Schatten. In erster Linie wird - im Gegensatz zu Italien - der Auftraggeber wichtig. Umschriften nennen den Porträtierten beim Namen und vermerken sogar sein Alter - AE(tatis) SVA 55 -, aber das Namenskürzel des Medailleurs suchen wir vergebens. Aus damaliger Sicht war der Künstler überhaupt nicht wichtig, denn es ging um die Erinnerung des Dargestellten für die Ewigkeit. Sowohl Herrscher wie Patrizier sorgten bei Lebzeiten dafür, dass ihr Andenken mit Hilfe einer Medaille wachgehalten wurde. Freunde wurden damit beschenkt. Wir wissen z. B., dass Dürer von sich zu Lebzeiten zwei Medaillen mit seinem Bildnis hat anfertigen lassen. Modelle oder Stempel werden verworfen, wenn sie nicht mehr mit dem Aussehen übereinstimmten. Die Personenmedaille zeichnet sich durch Realismus aus. Die strenge Profillinie und modische Kleidung spiegeln die Eleganz des kaiserlichen Hofes wieder.

Aussehen und Wesen Ferdinands
Aus der schriftlichen Überlieferung wissen wir, dass Ferdinand zart gebaut war und eine zierliche, kleine Figur hatte. Seine Bewegungen waren lebhaft und anmutig. Seine Hautfarbe war brunette. Wie die Medaille verdeutlicht, trägt er das Haar herabhängend, so dass das Ohrläppchen frei bleibt. Haar- und Barttracht zeigen seinen individuellen Geschmack. Während der Kinnbart ziemlich kurz gehalten wird und die Enden mit einer Brennschere eingedreht sind, hängt der Lippenbart lang zu beiden Seiten der Mundwinkel herab. Sein leidenschaftliches Temperament liess ihn beim Sprechen gestikulieren.
Nach der jung geschlossenen Ehe hat er über 25 Jahre mit seiner Gemahlin Anna äusserst glücklich gelebt. Er starb am 25. Juli 1564 in Wien. Der älteste Sohn Maximilian war der natürliche Erbe der Länder seines Vaters und wurde sein Nachfolger.

Herstellungstechnik
Das geforderte Produkt war eine Schaumedaille, die schwer und kompakt sein sollte. Im Gewicht orientiert sich die Medaille 1558 an den kursfähigen Talern mit ca. 28 g. Ein ähnliches, aber geprägtes Stück beschreibt Domanig als Gedächtnistaler. Das bevorzugte Material für Medaillen war Silber. Ob es auch schwere Goldstücke gab, die ihren unvergleichlichen Materialwert behielten, kann der Bestand an Personenmedaillen aus der Renaissance im Münzkabinett des Historischen Museums Frankfurt nicht belegen.
Einerseits ermöglichte das Gussverfahren höhere Auflagen [?], andererseits wurde eine scharfe Zeichnung gefordert, so wie eine mit unverbrauchten Stempeln geschlagene Münze. Im vorliegenden Fall erreicht dies der Medailleur durch Nacharbeiten und Punzen des Silbergusses. Spuren des scharfen Eisens sind deutlich im einfassenden Blätterkranz nachzuweisen. Bemerkenswert ist, dass alte Silbergüsse nie völlig plan sind, was eine Bewegtheit der Oberfläche bewirkt. Das erhabene Relief der Bildnisseite differiert um mehrere Millimeter zwischen der erhabensten und der tiefsten Stelle. Einige Schreibfehler in der Rückseitenumschrift lassen an einen Erstentwurf oder Erstabguss denken, bei dem eine vorläufige Raumaufteilung für die Umschrift erfolgte. Die Ausgangsbasis für das Modell, möglicherweise in Holz, war wahrscheinlich eine Vorzeichnung nach dem Leben, um später im Atelier in Ruhe die Vorarbeiten für die Vervielfältigungen ausführen zu können.

Siehe die Medaille 1547 auf den Tod Ferdinands Ehefrau Anna. Ø 38 mm. [hier: Exemplar aus dem Münzkabinett des KHM Wien. Stempelschneider vermutlich aus dem Erzgebirge.]

Der Vergleich
Wenn es uns auch nicht gelungen ist, den Medailleur dieser schönen Silberarbeit von 1558 zu benennen, so soll doch versucht werden, dem Meister seines Faches weitere Medaillen zuzuweisen oder wenigstens seine Schaffenszeit einzugrenzen. Wenn wir davon ausgehen, dass uns in der Medaille von 1558 eine reife Leistung des Medailleurs vorliegt, so liesse sich in einer Medaille von 1547 auf den Tod Annas, der Gemahlin Ferdinands, ein zaghaftes Tasten nachweisen. Da für ein Bildnis von Anna offensichtlich keine Vorzeichnung angefertigt worden ist, liess der Trauernde sein eigenes Bildnis auf die Vorderseite setzen. Die Raumaufteilung und die Anordnung der mehrzeiligen Umschrift lassen ein gleiches Konzept erkennen. Auf der Rückseite steht das Monogramm der Toten unter Krone zwischen dem Todesjahr und über einem Totenschädel. Die tiefe Trauer des Kaisers offenbart sich in dem Spruch: WIER KLAGENS GOTT. Als Einfassung beider Seiten dient wiederum der Blätterkranz. Nach den Katalogangaben von Domanig handelt es sich um einen Wiener Meister, der zu den Pionieren der deutschen Medaillenkunst in Wien zu rechnen ist.

[Auch Nickel Milicz schuf in Joachimstal eine ähnliche aber einfachere Medaille (Ø 30 mm, Katz 334) anlässlich Ferdinands Krönung. Die Umschrift lautet einfach ·FERDINANDVS - ·Electus·Romanorum·IMPERATO]

Benutzte Literatur
Ratsprotokolle aus dem Jahr 1558 (Folio XIV). Frankfurter Stadtarchiv.
Bürgermeisterbuch aus dem Jahre 1557 (Folio 187), Frankfurter Stadtarchiv.
Karl Domanig: Porträtmedaillen des Erzhauses Österreich von Kaiser Friedrich III. bis Kaiser Franz II., Wien 1896, S.8, Nr.78.
Karl Domanig: Die Deutsche Medaille in Kunst- und Kulturhistorischer Hinsicht, Wien 1907, S.135, Nr.855, Tf.99.
Paul Joseph und Eduard Fellner: Die Münzen von Frankfurt am Main, Frankfurt 1896, S.181, J.u.F.227.
Matthias Mende: Dürer-Medaillen, Nürnberg 1983.
Allgemeine Deutsche Biographie, 6.Bd. Leipzig 1877, S.632 ff.
Thieme-Becker, Künstlerlexikon, Bd.12, Leipzig/Berlin 1916.
Siehe auch:
G.Förschner: Frankfurter Krönungsmedaillen aus den Beständen der Münzkabinetts. Hist. Museum Frankfurt a.Main, kl.Schriften Bd.49, S.10ff.

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