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Die drei ertappten Münzergesellen
Ein Beitrag zur Löwenstein-Wertheimischen Kippermünzgeschichte
(nach Akten des Kgl. Kreisarchivs, Würzburg: Mainzer Regierungsarchiv, Lade 141)
G. H. Lockner
in: Frankfurter Münzzeitung 1904, S.75-78, 98-101
(hier ohne Fussnoten)

Es war im wunderschönen Monat Mai des Jahres 1622. Der Kipper- und Wipperschwindel stand in voller Blüte. Die Heckenmünzstätten wuchsen noch immer gleich Pilzen aus dem Boden, während die Zahl der deutschen Landesväter, denen das Wohl ihrer armen Untertanen mehr am Herzen lag als der eigene Geldbeutel und die es deshalb verschmähten, aus dem schändlichen Treiben Nutzen zu ziehen, immer kleiner und kleiner wurde.

Zu ihnen gehörte der Kurfürst von Mainz Johann Schweikhard von Kronberg (1604-1626). Er hatte in Verbindung mit einigen Nachbarfürsten durch strenge Gebote erreicht, daß der Kurs der guten Geldsorten in seinem Gebiet noch nicht zu jener Höhe wie anderwärts hinaufgetrieben und daß die Überschwemmung durch fremde, schlechte Münzen so weit als möglich gehemmt worden war. Hierbei galt es, nicht nur gegen die Flut der geringhaltigen norddeutschen Drei- und Sechsbätzner anzukämpfen, sondern sich auch die nichtsnutzigen Münzen so mancher liebwerten Nachbarn vom Halse zu halten. Allen Beamten, insonderheit jenen an den Grenzen des Erzbistums und den Torwächtern der verkehrsreichen Städte war größte Wachsamkeit eingeschärft, und als am 17. Mai des obengenannten Jahres drei Reisige unter der Sandpforte zu Aschaffenburg hielten und Einlaß begehrten, sah sich der wachthabende Leutenampt Hans Peter Eltz, eingedenk des kurfürstlichen Gebots, veranlaßt, sie etwas zu examinieren: Woher und wohin des Weges, was sonst ihr Tun und Lassen, ob sie vielleicht Soldaten und wo ihre Paßzettel seien? Die drei Reiter gaben sich für Handelsleute und Weinkäufer aus, die im Sinne gehabt, etliche Fuder Wein zu Wertheim zu erkaufen, jetzt aber unverrichteter Dinge wieder zurück nach Frankfurt reisten, da alles in so hohem Werte stehe. Als sie aber Wertheim erwähnten, wurde der Leutenampt argwöhnisch und witterte hinter ihnen Münzer, "wie es auch fast der Augenschein an ihnen gegeben". Trotzdem sie nun alsbald weiter wollten, lud er sie doch freundlichst aber dringend ein, ihn in die Landküche ins Wirtshaus zum Affen zu begleiten, um sich dort etwas näher kennen zu lernen.

"Der Not gehorchend, nicht dem eigenen Trieb" folgten sie des Leutenampts Einladung, der, kaum dort angelangt, ihnen auch schon die heikle Frage vorlegte, ob sie nicht Münzer seien. Sie verneinten dies auf Teufelsholen und zum höchsten, konnten aber ihr Inkognito nicht länger mehr wahren; denn als die Sättel an den Pferden, so mit unterschiedlichen heimlichen und verschlossenen Kästlein versehen, untersucht wurden, fand sich darin außer wenigen Stücken guter harter Sorten eine Menge der allerschlechtesten Wertheimer Dreibätzner und Dreikreuzer und noch zu allem Unglück fünf silberne Schellen, welche die Lehrjungen des Münzerhandwerks tragen müssen. Jetzt half kein Leugnen mehr. Sie bekannten sich als Münzergesellen, all ihr gutes und schlechtes Geld mitsamt den silbernen Schellen ward beschlagnahmt und ihnen sicheres Quartier im Wirtshaus zum Affen angewiesen.

Der nächste Tag sah bei Ihro Wohledel Gestrengen, dem Herrn Vizedomb Hans Philipp von Hoheneck, den Stadtschultheißen, den Rent- und Baumeister wie auch den Stadtschreiber von Aschaffenburg als Inquisitions-Kommision versammelt, die den drei vorgeführten Arrestanten in "gütlicher Frage" folgende Interrogatoria zur Beantwortung vorlegte:
Wie sie mit Namen heißen und was ihre Hantierung, ob und wo sie das Münzerhandwerk gelernt, was sie bei ihrer Annahme als Gesellen geschworen, ob sie Lehrbriefe haben, was der Münzmeister ihnen zum Lohn gegeben, auf welche Münzprobe und was für Sorten dieser gemünzt, wer die Münze verlegt und das Silber geliefert und endlich, warum sie ihr Handwerk verleugnet und sich als Weinhändler ausgegeben haben?

Der erste nannte sich Simon Döbbeke von Goslar. Das Münzerhandwerk hatte er vier Jahre lang an drei Orten, nämlich zu Siedel (jetzt Södel) bei Lich, zu Göttingen und zu Minden in Westfalen gelernt und dann noch zwei Jahre "im Hertzberg (am Harz) und zu Laudenberg" (am Harz) als Gesell gedient, ehe er nach Wertheim ging.

Andreas Tommes aus Osterode war der zweite. Er zählte 24 Jahre, hatte zu Geffern (Jever) unter dem Grafen von Oldenburg seine Lehrzeit durchgemacht und daselbst 1½ Jahre bei dessen Münzmeister Closs Winneckhen (Nikolaus Wientjes) gearbeitet. Hierauf war er nach Holz-Münden (Holzminden) gezogen, daselbst noch 1/4 Jahr verblieben und dann nach Wertheim beschrieben worden.

Der dritte, Georg Evers von Goslar, hatte seine Münzerlaufbahn in Bremen beim Münzmeister Johann Winneekhen (Wientjes) begonnen, aber dort nur 1/2 Jahr ausgehalten. Hernach war er 1½ Jahr in Stade und 3/4 Jahr "uff Godelberg" (höchstwahrscheinlich Catlenburg) gewesen, hatte dann noch "uff Andree-Berg" als Lehrjunge geweilt und sich von da nach Wertheim begeben, wo er erst vor drei Wochen zum Gesellen auf- und angenommen worden war.

Auf die weiteren Fragen gaben die drei ziemlich gleichen Bescheid. Sie hatten bei ihrer Aufnahme als Gesellen nur geschworen, die Münze bezw. das Silber nicht zu schwächen, sondern zu strecken, bei keinem Störer (unbefugten Handwerker) zu arbeiten und keine Münze ohne der Gesellen Rat anzunehmen. Lehrbriefe besaßen sie nicht, sondern nur Kundschaft und Zeugnis, die aber bei den Gesellen verblieben waren. In Wertheim standen sie seit Trium Regum (6. Januar 1622) in Arbeit beim Münzmeister Henn Westermen von Minden, der Bürger zu Frankfurt war, und hatten bei ihm nichts als Dreibätzner und Dreikreuzer, "aber nur wenig" geschlagen. Auf was für eine Probe dies geschehen, wußten sie nicht, denn sie waren nicht zum Tiegel gekommen, hatten nur als Gesellen gedient und das verrichten müssen, was man ihnen vorgelegt, weshalb sie es dem Fürsten und Herrn, wie auch dem Münzmeister verantworten ließen, falls die Münzen nicht gerecht wären.

Westermen hatte zu Wertheim im ganzen 7 Gesellen beschäftigt und diesen insgesamt für Ausmünzung von je 100 Mark Silber, gleich ob zu Dreibätznern oder Dreikreuzern, 80 fl. als Lohn gegeben; gewiß keine schlechte Bezahlung, denn auf Evers Teil waren in den letzten acht Tagen allein 20 fl. gekommen.

Über den Verleger der Münze zu Wertheirn konnte oder wollte keiner genaue Auskunft erteilen. Nur Evers nannte als anfänglichen Silberlieferanten Abraham Jud von Friedberg, dem später der Kornverwalter und Doktor Ruprecht zu Wertheim gefolgt seien, und Tommes vermeinte, Herr Graf Friedrich habe das Geld dazugegeben.

Und als nun zum Schluß jeder der drei Gesellen Rede und Antwort stehen sollte, weshalb er sein Handwerk verleugnet, da war es bei allen nur wegen der gefährlichen Zeit und aus Furcht davor geschehen, daß sie vielleicht auf der Straße angegriffen würden. Flehentlich baten sie um ihre Freilassung und der Herr Vizedomb, der in richtiger Beurteilung dieses Münzdelikts sich wohl sagte, daß dafür nicht diese drei armen Teufel, sondern eigentlich der Münzmeister, der Verleger und vor allen anderen der hochgräfliche Münzherr als die Hauptschuldigen gestraft werden sollten, ließ Gnade für Recht ergehen und entließ sie aus der Haft, nachdem sie folgenden Revers ausgestellt und unterschrieben hatten:

Wir hernachbenante, Ich Silnon Doweckaw und Georg Ebers, beede von Gossla, sodann Ich Andreas Thomes von Osteroda urkunden hiemit allermenniglichen bekennende, daß wir aus zumahl wolverschulden Ursachen und sonderlich denen, dieweil wir uff oberkeidliche Inquisition und Befragung uns für Weinhändler und Kaufleut fälschlich ausgeben, auch solches mit Teufelhohlen becreftiget, das doch hernacher sich im Werk das Widerspiel befunden, daß wir nun ein gerauhme Zeit hero wider des Heyligen Römischen Reichs Constitutiones uns zue Wertheim in ungerechtem Münzen gebrauchen lassen und also dardurch starke Verdächtigkeiten anderer leichtfertiger Sachen mehr auf uns geladen, in des Hochwürdigsten unsers gnädigsten Herrn, des Erzbischoven zu Mainz und Churfürstens Arrest alhie zu Aschaffenburg gerathen.

Ob nun wol Ihre Woledle Gestrengen, der Herr Vitzthomb alhie, genugsame und befuegte Ursach gehabt gegen uns in continenti mit Ernst und der Schärpfe nach zu verfahren, so seind wir jedoch uff unser flehendlich und inständige underthenige Pitt des Arrests ad tempus volgender Gestalt widerum erlassen worden:

Erstlich geloben und versprechen wir bey unsern wahren Worten, Treuen und Glauben an Aydstatt, uns alspalden nacher Mainz zu begeben und bei höchstgenanneten Ihren Churfürstlichen Gnaden unser Verbrechen selbsten hie zwischen zehen Tagen auszuüben und desjenigen Beschaids oder Bevelchs, so daselbsten gefallen würd, in Underthenigkeit zu gewarthen bey Verlust aller unserer Sachen.

Zum Andern geloben und versprechen wir, uns jederzeit uff Erfordern gehorsamblich widerumb zu sistirn und zu stellen.

Zum Dritten versprechen wir, daß unser Enthalten gegen alle diejenige, so zu diesem unsern Arrest und Uffenthalt Ursache geben, nimmermehr zu rechnen, zue ayfern, zue aiden, noch von andern zn geschehen verstatten in keine Weis noch Weg sonder Gevehrde.

Und dessen zu wahrer Urkund haben wir alle Drey obgenant gegenwerdigen Revers mit aigenen Handen wissentlich underschrieben, auch unsere Pittschaft zue End uffgetrückt. So geschehen zue Aschaffenburg den 18ten May Anno 1622.

Simon Döbbeke / Georg Evers / Andreas Tommes

Nur Tommes siegelte schnell und flüchtig diesen Revers. Ob die bei den anderen in ihrem Drang nach Freiheit es vergaßen oder überhaupt keine Petschafte bei sich hatten, darüber schweigen die Akten.

Um ihnen die vorgeschriebene Reise nach Mainz zu ermöglichen, mußte man sie wohl oder übel mit einem Zehrgeld versehen, wenn auch niemand glaubte, daß sie es zu diesem Zweck verwenden würden. Sie erhielten aus den ihnen abgenommenen Geldern, die sich auf 363 fl. beliefen, 25 fl. ausgezahlt und zwar 13 fl. in guten harten Sorten und nur 12 fl. in ihren selbstgemünzten Dreikreuzern, damit von diesem geringen, ja nichtsgültigen Geld nicht zu viel in den Verkehr komme. Dann ließ man sie laufen, denn reiten konnten sie nicht mehr, weil ihre drei Klepper in Ihrer kurfürstlichen Gnaden Marstall zu Aschaffenburg eingeliefert wurden.

Der Herr Vizedomb berichtete am nächsten Tag getreulich den ganzen Hergang an die weltlichen Räte nach Mainz mit dem Bemerken, daß er die Münzergesellen nur deshalb ledig gelassen habe, weil dies ja auch den vorher in Haften gewesenen Münzmeistern, bei denen sogar die Stempfel gefunden worden waren, widerfahren sei und außerdem auch, um fernere Unkösten zu verhüten. Waren ja schon jetzt bei Frau Anna Wentzelin, der Wirtin zum Affen, für 3 Mahlzeiten 13 fl. 9 Batzen und für Hafer und Stallmiete 4 fl., im ganzen 17 fl. 9 Batzen zu zahlen gewesen, so daß von der beschlagnahmten Summe nur noch 320 fl. 6 Batzen in nichts als lauter Wertheimer Dreibätznern und Dreikreuzern dem kurfürstlichen Ärar verblieben, über deren Verwendung der Vizedomb Bescheid verlangte.

Am 25. Mai antwortete ihm der Kurfürst von Mainz aus, wo man noch immer die drei Münzergesellen erwartete, und befahl, Geld und Pferde weiter in Verwahrung zu behalten, auch ferner "auf dergleichen verdächtige Juden und Christen eine fleißige Anstalt zu machen" und nach Ablauf der anberaumten zehntägigen Gestellungsfrist nochmals Erinnerung zu tun.

Über drei Wochen verstrichen, bis sich der Vizedomb wieder nach dem Eintreffen der drei Münzer erkundigte. Sie waren nicht im goldenen Mainz erschienen, wenigstens erwähnt der Kurfürst in seinem Antwortschreiben vom 23. Juni nichts davon. Er ordnete an, die schlechten Gelder dem Keller zu Aschaffenburg in Verwahrung zu geben und die Pferde "möglichst gegen grobe baare Bezahlung" zu verkaufen. Aber nur zweien derselben war dieses Loos beschieden. Das dritte dieser edlen Tiere war inzwischen in Ihrer kurfürstlichen Gnaden Marstall verendet; wahrscheinlich hatte es die Hofluft nicht vertragen.

Was weiter aus den drei Münzergesellen geworden und wohin das Schicksal sie verschlagen, ist unbekannt.




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