Als Georg Pawer (Bauer) wurde am 24. März 1494 in Glauchau in Sachsen der Mann geboren, der unter seinem latinisierten Namen Georgius Agricola über die Grenzen Deutschlands hinaus Bedeutung und Anerkennung erlangte. Bereits in jungen Jahren verfügte Agricola über eine universelle Bildung im Sinne der damaligen Zeit. Anfangs dominierten noch die alten Sprachen, Theologie und Philosophie. Schon damals erwarb Agricola Wissen und Bildung nicht um ihrer selbst willen. Deren Anwendung sind ein wesentlicher Charakterzug von ihm, der sich fortan wie ein roter Faden durch sein Leben zieht. Nach einer Tätigkeit im Lehrbereich in Zwickau in Sachsen - aus dieser Zeit stammt auch sein Erstlingswerk, das sich mit dem einfachen Sprachunterricht befaßt - besuchte Agricola zum zweiten Mal die Universität Leipzig. Er begann das Studium der Medizin, welches er in Italien mit der medizinischen Doktorprüfung abschloß. In Venedig arbeitete er mit an einer Ausgabe des Galenos aus Pergamon (129-199 n. Chr.), der bis ins 15. Jahrhundert als medizinische Autorität galt. Bekannt war seine Lehre aus lateinischen Texten, die auf arabischen fußten. In Venedig stützte man sich auf den griechischen Originaltext. Agricolas altsprachliche Kenntnisse, vermehrt um das neu erworbene medizinische Wissen, wurden sofort wieder zum Nutzen der damaligen Wissenschaft angewandt. 1526 kehrte Agricola aus Italien nach Sachsen zurück. Ein Jahr später erhielt er in Joachimsthal die Stelle des Stadtarztes und -apothekers. Das heutige Jáchymov an der deutsch-tschechischen Grenze im Erzgebirge war damals eine bedeutende Großstadt, wenn man mittelalterliche Maßstäbe zugrunde legt. Hier wurden seit 1520 von den Grafen Schlick die berühmten Joachimsthaler geprägt. Ausgemünzt wurden bis 1561 etwa 10750000 Stück. Für diese enorme Menge bedurfte es rund 270 t Feinsilber. Joachimsthaler Bergwerke und Hütten erbrachten gute Ausbeute. Der Alltag in der Stadt wurde von der Montanindustrie bestimmt. Diesem Einfluß konnte sich Agricola nicht entziehen. Er wollte es auch nicht. Im Gegenteil. Durch seinen Freund Lorenz Bermann, dem er im "Bermannus" ein literarisches Denkmal setzte, wurde er mit dem Bergwesen und den Mineralien vertraut gemacht. Als Arzt suchte Agricola nach medizinisch verwertbaren Erzeugnissen des Bergbaues. Andererseits wurde er mehr und mehr mit Berufskrankheiten der Berg- und Hüttenleute und Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert. Giftige Abgase bei den metallurgischen Prozessen, "Hüttenrauch", schädigten Mensch und Natur. Nicht weit von Joachimsthal, auf deutschem Gebiet in Oberwiesenthai, gibt es heute noch den "Gifthüttenweg".
Doch nicht nur arbeitsbedingte Gefahren unter und über Tage beschäftigten Agricola. Pestepidemien dezimierten die Bevölkerung - Agricola befaßte sich mit vorbeugenden Maßnahmen. Anregungen dazu hatte er in Venedig erhalten. Wissenschaftliches Denken setzte er an die Stelle der jahrhundertealten Auffassung der Epidemien als Strafe für die Menschheit. Ab 1533 bis zu seinem Tod im Jahr 1555 lebte Agricola in Chemnitz. Hier hatte er ebenfalls das Amt des Stadtarztes inne. Mehrfach wurde er zum Bürgermeister ernannt. Diese Funktion übte er in den Jahren 1546, 1547, 1551 und 1553 aus. Agricolas zahlreiche Schriften dürfen nicht zu der Annahme verleiten, er habe in einer ruhigen Zeit gelebt. Pestepidemien waren eine häufige Bedrohung. Bauernkrieg und Reformation erschütterten Deutschland. Die Türken mußten abgewehrt werden. Im Schmalkaldischen Krieg diente Agricola dem Herzog Moritz von Sachsen als Berater, nachdem dieser ihn 1530 zum sächsischen Hofhistoriograph ernannt hatte. Der Herzog war den Wissenschaften zugetan, förderte die Leipziger Universtät und gründete die Fürstenschule in Meißen, Pforta und Grimma. Nicht nur durch seine Beschäftigung mit dem Berg- und Hüttenwesen sondern auch als Verwaltungsbeamter und im diplomatischen Auftrag von Herzog Moritz und als dessen Ratgeber kam Agricola mit Fragen in Berührung, welche die damalige Wirtschaft beschäftigten. Die Zersplitterung des Maß- und Gewichtssystems veranlaßte ihn zu seinem Werk "Fünf Bücher über Maße und Gewichte". Die Publikation "Metallpreise und Münzen" interessierte die Eigner der Bergwerke und Hütten, die Kaufleute und die Verwaltungen und nicht zuletzt auch den Landesherrn. Sein Hauptwerk stellt das Bergwerks- und Hüttenbuch "Von den Bergwerken" dar - GEORGII AGRICOLAE DE RE METALLICA LIBRI XII. In lateinischer Sprache abgefaßt erschien es erstmalig in Basel 1556 bei Froben. Eine deutsche Übersetzung des Basler Proffesors Bechius folgte 1557, ebenfalls in Basel bei Froben. Die Wertschätzung, die dem Werk gleich bei Erscheinen zuteil wurde, mag man auch daran ermessen, daß es mit "Privilegien" des deutschen Kaisers und des französischen Königs ausgestattet war, die einen unautorisierten Nachdruck durch Dritte bei Strafandrohung untersagten. Die zwölf Bücher von DE RE METALLICA stellen ein Lehrbuch ersten Ranges dar, ein Kompendium für die Menschen des 16. Jahrhunderts.
Titelblatt der ersten lateinischen Ausgabe von DE RE METALLICA, Basel: Froben, 1556
Die Texte werden anschaulich durch insgesamt 292 Holzschnitte ergänzt und erläutert. Der überwiegende Teil der Holzschnitte - ihre Bedeutung muß hervorgehoben werden, weil es zur damaligen Zeit keine technischen Zeichnungen in unserem Sinne gab und weil sie die billigste Methode der Verbreitung darstellten - geht auf Vorlagen des Basilius Wefring und seiner Mitarbeiter in Joachimsthal zurück. 62 Holzschnitte sollen von dem Berner Künstler Hans Rudolph Manuel, genannt Deutsch (1525-1571) stammen. Einer der Formschneider war Zacharias Specklin, der in Basel für Buchdrucker arbeitete. In gewisser
Weise stellen die Holzschnitte Vorläufer der sogenannten "exploded views" dar, die heutzutage für populäre Illustrationen gängig sind. Finanzieren mußte Agricola die Holzschnitte selbst.
Aufsuchen von Erzgängen: A - mit der Wünschelrute (von Agricola abgelehnt) B - durch Schürfgräben Bevor Münzmetall zum Prägen bereitgestellt werden kann, sind viele Arbeitsstufen zu durchlaufen. Mit ihnen befassen sich die "zwölf Bücher". Oft mögen Zufallsfunde zu einer Erzader geführt haben. Doch ohne systematische Suche ging es auf die Dauer nicht. Agricola tat die Suche mit der Wünschelrute ab, obwohl sie viele Anhänger (bei Brunnenbohrungen bis ins 20. Jh.) hatte. Er orientierte auf wissenschaftliches Prospektieren, das sich auf Beobachtungen und Erfahrungen in der Praxis stützte. Wissensaneignung über Versuche und Erfahrungen - das war seine Maxime. Daneben griff er auf antike Quellen und die Erfahrungen und Arbeitsweisen anderer Bergbau- und Hüttenreviere zurück, so zum Beispiel in Westfalen, Polen, Kärnten und Ungarn. Was gut war, wurde übernommen. So wie er sich auch intensiv mit der Probierkunde - der Gehalts- und Reinheitsuntersuchung von Edelmetallen und Münzen und der Herstellung der dazu benötigten Mittel - befaßte, so kritisch testete er überkommene Verfahren. Ein besonders krasser Fall lag beim Abkühlen des sogenannten Blicksilbers vor. Vermeintlich war Bier das geeignete Mittel der Wahl. Nach Agricola reichte Wasser völlig. Die Frage nach dem WARUM brachte Agricola seine Erfolge und die konsequente Konzentration auf Aufgaben der gewerblichen Praxis.
Mittelalterliche Schachtöfen Ein in Betrieb gesetzter Scheideofen. Der Hüttenmann im Vordergrund ißt Butter als Gegenmittel gegen die giftigen Ofendünste. Bereitung des "Scheidewassers" zum Scheiden von Gold und Silber (Naßchemische Abtrennung des Silbers aus einer God-SilberLegierung mittels Salpetersäure). Das feingebrannte Silber wird aus dem Ofen genommen und weiterbehandelt. Probenahme durch Abschlagen mit einem Meißel für die "Probation", das "Probieren" durch eine Amtsperson und Markieren mit amtlichem Siegel sowie Einprägen des Gewichts. Seiger-(Saiger-) Herd: A - in Betrieb, B. - außer Betrieb. Die Seigerhütte Grünthai bei Olbernhau in Sachsen war die letzte im Erzgebirge. Heute Museum. Das "Blicksilber" wird abtransportiert Runder Probierofen. Auf "trockenem" Weg, also ohne Säuren, wird mit seiner Hilfe der Edelmetallfeingehalt bestimmt. Doch nicht nur technische und technologische Komplexe werden von Agricola in seinen "zwölf Büchern" erläutert. Er beschreibt auch die Hierarchie im Bergwesen und gibt "Investoren" gute Tips. So empfiehlt er beispielsweise, nicht nur Kuxe (Anteilscheine) eines einzigen Bergwerks zu erwerben. Diversifizierung, so rät er, beugt größeren Verlusten bei Ausbeuterückgang vor, denn er betrifft nicht alle Gruben gleichzeitig. Und auch Managementwissen vermittelt er, psychologische Ratschläge, die der "Menschenführung" dienen, die Motivation der Arbeiter fördern und Betrügereien gar nicht erst aufkommen lassen sollen.
In vielen Punkten hatte er sich bereits von den Vorstellungen und Lehrmeinungen seiner Zeit gelöst. Aberglaube und Alchemie trieben nach ihm den bekannten unrühmlichen Höhepunkten zu und wurden durch rationales Denken sowie experimentelle und wissenschaftliche Methoden endgültig erst an der Wende zum 19. Jahrhundert abgelöst. Ehrung und Anerkennung fand Agricola bereits zu Lebzeiten. Anfeindungen blieben nicht aus. Das konnte in der Zeit des Wandels vom Mittelalter zur Neuzeit und der sozialen und religiösen Auseinandersetzungen auch nicht anders sein. Dank seiner Tüchtigkeit war ihm auch materieller Wohlstand beschieden. In diesem Jahrhundert ließen Vereine, Institutionen, Ausbildungsstätten usw. Agricola-Medaillen anfertigen. Die Bergakademie in Freiberg/Sa. verleiht Absolventen seit 1954 eine Agricola-Medaille. Münzen ihm zu Ehren sind noch nicht bekannt geworden. Wird man warten, bis das Ausland Deutschland zuvorkommt? ...
Titelblatt der 9. (deutschen) Ausgabe von Agricolas "Bermannus oder ein Dialog über den Bergbau", Rotenbug an der Fulda, 1778. Literaturhinweis:
Agricolas Schriften • Georgii Agricolae Glaucii Libellus de prima ac simplici institutione grammatica. (Des Glauchauers Georg Agricola Büchlein über den ersten und einfachen Sprachunterricht.) Leipzig 1520
• Mitarbeit an der Ausgabe "Galeni Librorum Pars I bis V" Venedig 1525 • Georgii Agricolae Medici "Bermannus sive de re metallica" ("Bermannus" oder "Über den Bergbau") Basel 1530. Paris 1541 , Basel 1546, Leipzig 1546, Venedig 1550 (italienisch). Deutsch: 1558, 1612, 1657, 1778, 1806 • Deutsche Übersetzung der Türkenrede durch Lorenz Bermann, Nürnberg 1531, Joachimsthal 1531 • Oratiode bello adversus Turcam suscipiendo ("Türkenrede") Basel 1538 • Libri quinque de mensuris et ponderibus (Fünf Bücher über Maße und Gewichte) Venedig, Basel, Paris - 1533, 1535, 1550, 1552 • De ortu et causis subterraneorum (Von den Entstehungsursachen der unterirdischen Körper und Erscheinungen) De natura eorum quae effluunt ex terra (Von dem Wesen der Stoffe, die aus der Erde herausfließen.) Basel 1546. Venedig 1550 (italienisch), Freiberg 1806-1812 (deutsch) • De natur fossilium (Über die Natur der Mineralien) Basel 1546, Venedig 1550 (italienisch) • De veteribus et novis metallis (Geschichte der Bergwerke) Basel 1546, Venedig (italienisch) 1558 • De animantibus subterraneis (Von den Lebewesen unter Tage) Basel 1546, 1549 etc. • De peste (Über die Pest) Basel 1554, 1607, 1611 • De re metallica (Bergwerks- und Hüttenbuch "Von den Bergwerken") Basel: Froben -1556 -1557 (deutsche Übersetzung von Bechius) etc, |
Siehe: Medaillen auf Georgius Agricola
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