Ist es bekannt, daß zur Zeit der Gründung der ehemaligen Universität Erfurt die meisten Menschen unsere heutigen Zahlzeichen nicht kannten, sondern - falls überhaupt notwendig - die römischen Zahlen verwendeten? Mit dieser Zahlschreibweise war aber das uns allen bekannte schriftliche Rechnen nicht möglich. Wie rechnete man damals?
Daran wollen wir Sie erinnern und hoffen, damit Freude zu bereiten. Seit mehr als 2000 Jahren kennt man die "Rechenmaschine", die die Römer Abakus. Unser Kinderspielzeug mit mehreren Drähten und jeweils 10 beweglichen Kugeln geht auf das historische Rechenhilfsmittel zurück. Leider wissen nur noch wenige Menschen, wie auf den Linien tatsächlich gerechnet wurde.
Weil zur Zeit Adam Ries das Rechnen auf den Linien weit verbreitet war, lehrte er seinen Schülern zuerst die bekannte "alte" Form und zeigte dann, daß das schriftliche Rechnen (die "neue" Form) viele Vorteile besitzt (falls man Papier zur Verfügung hatte). Zum Rechnen auf den Linien benutzte man ein Rechenbrett mit eingeritzten Linien (in Griechenland hat man einen Marmortisch mit eingearbeiteten Linien und Zahlenwerten gefunden). Die Kaufleute verwendeten unterwegs ein Rechentuch - Größe und Form entspricht unserem Souvenir. Man kann aber auch einfach mit Kreide Linien zeichnen.
Zur besseren Übersicht teilte man Spalten - sogenannte Bankiers - ab. Die Anzahl der Spalten wird durch die Übersichtlichkeit bestimmt oder bei Geldrechnungen durch die Währungseinheiten (z. B. Gulden, Groschen oder Pfennige). Die Tausenderlinie erhielt zur Kennzeichnung ein Kreuz (wir schreiben in unseren Beispielen die Bedeutung der Linien und Zwischenräume als Hilfe mit auf.
Rechensteine oder Rechenpfennige (ohne Zahlenwert, mit Wappen der Stadt oder des Rechenmeisters) legte man auf die Linien und in die Zwischenräume. Jede Linie entsprach einem bestimmten Zahlenwert - siehe Beispiel. Zur Vereinfachung des Rechnens legte man für fünf Rechenpfennige, Rechensteine einer Linie nur noch einen Rechenstein in den nächsthöheren Zwischenraum. Zwei Steine eines Zwischenraumes legt man als einen Rechenstein auf die nächsthöhere Linie. Alle Rechenvorgänge werden immer auf eine Linie bezogen durchgeführt. Deshalb reichte die Kenntnis des Einmaleins aus.
Beginnen wir mit dem Rechnen.
Schritte zum Addieren zweier Zahlen
Vorbemerkung
Zur Zeit von Adam Ries gab es als einfachste Rechenart das "Numerieren". Es wurde dabei geübt, die Zahlen zu schreiben und zu sprechen.
Beim Rechnen auf den Linien bedeutete die nächsthöhere Linie das Zehnfache. Am Anfang schreiben wir die Bedeutung der Linie mit. Ein Rechenstein oder Rechenpfennig auf der untersten Linie bedeutet Eins. Ein Rechenpfennig im Zwischenraum darüber bedeutet das Fünffache der unteren Linie. Im Zwischenraum liegt allgemein höchstens ein Rechenpfennig. Statt fünf Rechenpfennige auf eine Linie lege man einen Pfennig in den Zwischenraum darüber.
1. Schritt - Numeration
Wir legen in das linke Feld (Bankier) mit den Rechenpfennigen die erste Zahl (im Beispiel 1783).
Im 2. Bankier legen wir mit den Rechenpfennigen die zweite Zahl (im Beispiel 684).
2. Schritt - Addieren
Eigentlich können wir das Ergebnis schon ablesen. Addieren bedeutet das Zusammenlegen der Pfennige in den 3. Bankier.
3. Schritt - Elvatio (Bündeln und Höherlegen)
Wir fassen je 5 vorhandene Rechenpfennige auf einer Linie zusammen (bündeln) und legen dafür einen Rechenpfennig in den darüberliegenden Zwischenraum (höherlegen).
Sollten im Zwischenraum zwei Rechenpfennige liegen, werden diese ebenfalls gebündelt und ein Rechenpfennig auf die nächsthöhere Linie gelegt.
Wir schreiben das Ergebnis als Zahl auf (im Beispiel 2467).
Addieren zweier Zahlen, Beispiel: 1783 + 684 = 2467
1. Schritt Numeratio (Auflegen der Rechenpfennige)
2. Schritt Addieren (Zusammenlegen)
3. Schritt Elvatio (Bündeln und Höherlegen) Ergebnis 2467
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Schritte zum Multiplizieren zweier Zahlen
Vorbemerkung
Die Multiplikation läßt sich auf wiederholtes Addieren zurückführen. Im Beispiel rechnen wir statt der Aufgabe 23 x 33 die Aufgabe 10 x 33 + 10 x 33 + 3 x 33.
Das kleine "Einmaleins" reicht aus.
1. Schritt
Wir zerlegen den am besten geeigneten Faktor (im Beispiel 23 = 10 + 10 + 3).
Wir legen die Zahl 23 mit Rechenpfennigen auf den linken Bankier (siehe Addition).
Wir merken oder notieren den 2. Faktor (im Beispiel 33).
2. Schritt
Wir rechnen im Kopf 10 x 33 = 330 und legen in den zweiten Bankier dieses Teilergebnis.
Im ersten Bankier nehmen wir einen Rechenpfennig der Zehnerlinie weg. Das zeigt uns an, wir müssen noch 13 x 33 rechnen.
3. Schritt
Wir addieren zum ersten Teilergebnis noch einmal 10 x 33 = 330 hinzu und legen in den dritten Bankier die Rechenpfennige vom ersten und vom zweiten Teilergebnis.
Vom ersten Bankier nehmen wir einen Rechenpfennig der Zehnerliste weg. Das zeigt uns an, wir müssen noch 3 x 33 rechnen.
4. Schritt
Als Zwischenschritt vereinfachen wir durch Bündeln und Höherlegen (Elvatio) die Darstellung der Zahl 330 + 330 = 660.
Unverändert müssen wir noch 3 x 33 rechnen und addieren.
5. Schritt
Wir rechnen 3 x 33 = 99 und legen in den fünften Bankier die Rechenpfennige - für die Teilergebnisse 660 und 99.
6. Schritt
Wir legen die Rechenpfennige im sechsten Bankier zusammen (Bündeln und Höherlegen). Das Ergebnis schreiben wir als Zahl auf (im Beispiel 759).
Multiplizieren zweier Zahlen, Beispiel: 23 x 33 = 759
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Schritte zum Subtrahieren (Abziehen) zweier Zahlen
Vorbemerkung
Das Subtrahieren (oder Abziehen) wird durch das Wegnehmen von Rechenpfennigen durchgeführt. Die abzuziehende Zahl (Subtrahend) muß dabei immer kleiner als die erste Zahl (Minuend) sein. Auf der Linie bedeutet Abziehen die Wegnahme so vieler Rechenpfennige im zweiten Bankier (Minuend) wie Rechenpfennige im ersten Bankier (Subtrahend) liegen.
Manchmal ist es notwendig, einen Rechenpfennig in den Zwischenraum darunter zu legen (dann mit der Wertigkeit von 2 Rechenpfennigen) oder auf die untere Linie (dann mit der zehnfachen Wertigkeit).
1. Schritt
In den ersten Bankier legen wir die Rechenpfennige für die erste Zahl (Minuend; im Beispiele 1739). In den zweiten Bankier legen wir die Rechenpfennige für die abzuziehende Zahl (Subtrahend; im Beispiel 468).
2. Schritt
Man sieht leicht, daß wir in der Hunderterlinie des ersten Bankiers nicht 4 Rechenpfennige wegnehmen (abziehen) können. Ähnlich ist es im Zwischenraum unter der Hunderterlinie (erster Bankier).
Wir setzen Rechenpfennige herunter (resolvieren). Im Beispiel legen wir den Rechenpfennig mit dem Wert 500 als 5 Rechenpfennige in die Hunderterlinie. Weiterhin setzen wir einen Rechenpfennig der Hunderterlinie in den Zwischenraum darunter, dann aber mit 2 Rechenpfennigen.
3. Schritt
Jetzt ist das Wegnehmen von Rechenpfennigen im 1 . Bankier entsprechend der Rechenpfennige im 2. Bankier möglich. Zur einfacheren und deutlichen Darstellung legen wir in den 3. Bankier noch einmal die Rechenpfennige, die nach dem Abziehen (Wegnehmen) im 1. Bankier übriggeblieben sind. Das ist das Ergebnis der Aufgabe, im Beispiel 1271.
Subtrahieren zweier Zahlen, Beispiele: 1739 - 468 = 1271
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Schritte zum Dividieren (Teilen) zweier Zahlen Vorbemerkung
Vorbemerkung
Das Dividieren (Teilen) läßt sich auf das wiederholte Subtrahieren (Abziehen) zurückführen.
Für das einmalige Abziehen (Wegnehmen) des Divisors (2. Zahl; im Beispiel Zahl 6) wird Eins "gemerkt", ein Rechenpfennig abgelegt. Reichen die Rechenpfennige einer Linie nicht zum Abziehen, bedeutet das Null. Diese Rechenpfennige legt man dann eine Linie tiefer, aber dort bedeuten sie zehnmal so viel.
1. Schritt
Wir legen in den ersten Bankier für die erste Zahl (Dividend) die Rechenpfennige, im Beispiel für die Zahl 144.
Die zweite Zahl (Divisor) merken oder notieren wir, im Beispiel die Zahl 6.
2.Schritt
In der obersten Linie, die mit Rechenpfennigen belegt ist, versuchen wir so viel Rechenpfennige wie die zweite Zahl (Divisor; im Beispiel 6) bedeutet, wegzunehmen. Im Beispiel ist das nicht möglich, weil in der Hunderterlinie nur ein Rechenpfennig liegt. Diesen Rechenpfennig legen wir in die Zehnerlinie (resolvieren) mit dem zehnfachen Wert (gleich 10 Rechenpfennige). Dort liegen nun 14 Rechenpfennige. Wir nehmen so viele Rechenpfennige weg, wie die 2. Zahl bedeutet und legen dafür einen Rechenpfennig in den 2. Bankier. Im Beispiel können wir in der Zehnerlinie zweimal 6 Rechenpfennige wegnehmen und 2 Rechenpfennige in den 2. Bankier legen.
3. Schritt
Die übrig gebliebenen 2 Rechenpfennige der Zehnerlinie legen wir als 20 Rechenpfennige in die Einerlinie. Dort können wir nun viermal 6 Rechenpfennige wegnehmen und im 2. Bankier 4 Rechenpfennige ablegen. In unserer Aufgabe sind alle Rechenpfennige weg, die Aufgabe wird ohne "Rest" gelöst.
Das Ergebnis (im Beispiel 24) lesen wir im 2. Bankier ab.
Dividieren zweier Zahlen, Beispiel: 144: 6 = 24
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