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Die sieben Glockentaler von 1643
Herzog August II. der Jüngere (*1579 †1666) liess sich nach Studienreisen 25-jährig in der kleinen Herrschaft Hitzacker nieder, wo der Grundstein seiner berühmtem Bibliothek entstand und wo er 30 Jahre bescheiden lebte. 1635 gewann er den Erbstreit um das vakant gewordene Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel und zog nach Braunschweig. Erst 9 Jahre später gelang ihm der Einzug in die Landeshauptstadt Wolfenbüttel.
Im 30-jährigen Krieg hatten die Katholischen Liga 1627 die Festung Wolfenbüttel erfolgreich belagert und einer dänische Besatzung abgenommen. Nach vergeblichen Eingaben in Wien liess dann Herzog August d. J. 1641 die Festung auf gleiche Weise wie 1627 belagern: mit einem Damm, der eine Überschwemmung Wolfenbüttels bewirkte. Als ein kaiserliches Entlastungsheer nahte wurde die Belagerung beendet. Im Januar 1642 begannen separate Verhandlungen: Bei Einhaltung der Neutralität sollte dem Braunschweiger Land Frieden und dem Landesherren seine Residenz zurückgeben werden. Kurz vor dem vereinbarten Übergabetermin gab es noch verdächtige Botschaften. In sehnsüchtiger Erwartung und Erfüllung der Wiedererlangung Wolfenbüttels entstanden in kurzer Folge die Glockentaler von 1643.

Die Einteilung in 7 Typen hatte schon Johann David Köhler 1729 in seinen wöchentlichen Historischen Münz-Belustigungen verwendet.
Schon 1721 hatte Rehtmeier in seiner Chronica Abbildungen von 11 Glockentalern publiziert.

Geprägt wurden diese Münzen in Zellerfeld von Münzmeister Henning Schlüter.
Sein Münzzeichen HS führt manchmal zusätzlich zwei gekreuzten Schlüssel:

Rot hervorgehoben wird das jeweils besondere Kennzeichen der Typen 2 bis 7.

Neben den Glockentaler sind auch Teilstücke (1/2- und 1/4-Taler) ausgegeben worden.



Motiv 1 :  Glocke ohne Klöppel
1. Typ

1. Glockentaler 1643, Zellerfeld.    Ø 41 mm, 28,98 g.   Welter 806, Dav.6364; Kö.1; Re.3.
Vs.:   ·AUGUSTUS·HERTZOG·ZU·BRAUNS.UND.LU:
Hüftbild in Harnisch mit Kommandostab, Helm und Schwertgriff.
Rs.:   ✱·ALLES✱MIT✱BEDACHT·H⚒S· - ANO·1643
(⚒ = zwei gekreuzte Schlüssel, Münzzeichen von Heinrich Schlüter, 1635-1672 in Zellerfeld und Goslar)
Glocke ohne Klöppel mit herabhängenden Strick. Auf der Glocke:
TSGEB für: Tandem Sequetur Gloriosus Exitus Brunsvicensis = "Endlich wird ein ruhmreicher Auszug aus Braunschweig erfolgen" [laut Rehtmeier] [gemeint ist ein Umzug nach Wolfenbüttel]
Im Feld:
·SIC✱NISI· "Also, wenn nicht" d.h. "Also wird zwar die Glocke gezogen, es ist aber die Absicht und Mühe vergebens, wenn nicht die Tat auf die vorher gepflogene Ratschläge folgt"
Siehe den zugehörigen 1/2 Glockentaler des 1. Typs

2. Typ

2. Glockentaler 1643, Zellerfeld.       Welter 807; Dav.6366; Kö.2; Re.7.
Vs.:   ·AUGUSTUS·HERTZOG·ZU·BRAUNS:UND·LU:  -  wie zuvor
Rs.:   ALLES✱MIT✱BEDACHT✱ANNO - 1643✱HS  -  Glocke ohne Klöppel, darauf: T·S·G·E·B
unten umher: ✱UTI✱SIC✱NISI✱   "wie, so, wenn nicht"
Siehe den zugehörigen 1/4 Glockentaler des 2. Typs

3. Typ     (eine nachträgliche Variante des 1. Typs)

3. Glockentaler 1643, Zellerfeld.     Ø 41 mm, 38,90 g.   Welter 809; Dav.6368; Kö.3; Re.5.
Vs.:   ·AUGUSTUS HERTZOG ZU BRAUNS:UND·L:  -  wie zuvor
Rs.:   ✱ALLES✱MIT✱BEDACHT✱ANNO - 1643  -  Glocke ohne Klöppel, darauf: GLORIA
bogig darunter: ✱ SIC - ✱NISSI ✱
Der heute als 3. Glockentaler gezählte Taler mit der Inschrift "GLORIA" gehört sicher ans Ende der Serie
und war ursprünglich nicht geplant. Es gibt ihn in zwei Varianten: Einmal ist er umgeschnitten
aus dem 2. Glockentaler, zum anderen wurden wenige Stücke aus umgeschnittenen
Stempeln des 1. Glockentalers geprägt. [Künker]
Siehe den zugehörigen 1/2 Glockentaler des 3. Typs

Motiv 2 :  Klöppel
4. Typ

4. Glockentaler 1643, Zellerfeld.     Ø 41 mm.   Welter 812; Dav.6371; Kö.4; Re.8
Vs.:   ·AUGUSTUS·HERTZOG·ZU·BRAUNS.UND.LU:  -  wie zuvor
Rs.:   ✱·ALLES✱MIT✱BEDACHT✱1643·  -  Klöppel und Block,
Auf dem Klöppel: 13·K·MAII· "13. Kalandas Maji" (nach Römischen Kalender, nach den alten Julialischen den 19. Aprilis 1643)
auf dem Block AP·13 / V·10 / IN f·   = APocalypsoeos 13.Versu 10. IN Fine
"das Ende dieses zehenden Verses im dreizehnten Kapitel des Offenbarung Johannes: Hie ist Geduld und Glaube der Heiligen" [Rehtmeier],
unter dem Block:
SED? : "Hier ist Geduld und Glaube genug gewesen, aber die Glocke wird
dadurch nicht bewegt. Oder: der Klöppel liegt zwar hier, aber er ist noch nicht in der Glocke,
und also Geduld und Glaube sind von nöten, biß und daß er hineinkomme" [Rehtmeier]
Siehe einen zugehörigen 1/2 Glockentaler des 4. Typs

Motiv 3 :  Glocke mit Klöppel
5. Typ

5. Glockentaler 1643, Zellerfeld.     Ø 41 mm, 28,77 g.   Welter 814; Dav.6373A; Kö.5; Re.9
Vs.:   ·AUGUSTUS·HERTZOG·ZU·BRAUN:U:LUN:  -  wie zuvor
Rs.:   ✱·ALLES✱MIT✱BEDACHT H⚒S - ANO·1643
Glocke mit Klöppel zwischen TAN - DEM, auf den Klöppel E, auf der Glocke WAIDIR,
darunter M.VII·B·13·☿·
ergibt zusammen laut Rehtmeier: TANDEM Ergo Wolfenbüttelum Ab Injustis Detentoribus Invite Restituitur, Mensis Septembris die decimo tertio, qui erat Mercurii
"Endlich wird einmal Wolfenbüttel von denen, so mit Unrecht vorbehalten, ungern wiedergegeben, Mittwoch dem dreizehnten Tag des Monats September" [Rehtmeier]
Am 13 September 1643 erfolgte tatsächlich der Auszug der Kaiserlichen Truppen.
Siehe den zugehörigen 1/2 Glockentaler des 5. Typs

Am Tag darauf, den 14. September 1643, erfolgte der öffentliche Einzug, was der nächste Talertyp anzeigt:

6. Typ    (eine Variante des 5. Typs)

6. Glockentaler 1643, Zellerfeld.     Ø 41 mm, 28,82 g.   Welter 815; Dav.6374B; Kö.6; Re.10
Vs.:   ·AUGUSTUS·HERTZOG·ZU·BRAUNS:U:LUN:  -  wie zuvor.
Rs.:   ✱ALLES✱MIT✱BEDACHT✱AO: - 1643 H⚒S
Glocke mit Klöppel zwischen
TAN - DEM, auf den Klöppel E, auf der Glocke W·A·I·D·I·R,
darunter M.VII·B·14·♃ - also wie vor, nur ein Tag später, dem 14. September.
Siehe einen zugehörigen 1/2 Glockentaler des 6. Typs

Motiv 4 :  Glocke mit Klöppel läutend
7. Typ

7. Glockentaler 1643, Zellerfeld.     Ø 42 mm, 29,00 g.   Welter 816; Dav.6375F; Kö.7; Re.12-13
Vs.:   AUGUSTUS·HERTZOG·ZU·BRAUN:U:LU
5-fach behelmtes 11-feldiges Wappen zwischen Mmz. H - S.
Rs.:   ❀TANDEM❀PATIENTIA❀VITRIX❀ANO - 1643   "Endlich siegt die Geduld"
Drei Hände läuten die Glocke. Darunter Ansicht Wolfenbüttels im Sonnenschein.
Auf der Glocke zweizeilig: NU·PAC / EX·SO·EI9 (NUntius PACis EX SOno EIus)
"Aus ihrem Klang die Friedenskunde".

Teilstücke der Glockentaler


1/4 Glockentaler (2. Typ) 1643, Zellerfeld.    Ø 32 mm, ca.7 g.   Welter 836


1/2 Glockentaler (1. Typ) 1643, Zellerfeld.     Ø mm, 14,20 g.   Welter 826


1/2 Glockentaler (3. Typ) 1643, Zellerfeld.     Ø 35 mm, 14,48 g.   Welter 827
In der Reihe von Gedenkprägungen der Glockentaler ist der vorliegende 3. Glockenhalbtaler mit Abstand
der seltenste. Er ist vermutlich nach der Übergabe der Festung Wolfenbüttel entstanden,
daher das Wort "GLORIA", das den glücklichen Abschluß der Räumung zeigt.
Außer bei Fiala ist das vorliegende Stück nirgends beschrieben.


1/2 Glockentaler (4. Typ) 1643, Zellerfeld.     13,52 g.   Welter 828


1/2 Glockentaler (5. Typ) 1643, Zellerfeld.     13,52 g.   Welter 829


1/2 Glockentaler (6. Typ) 1643, Zellerfeld.     Ø mm, 13,52 g.   Welter 830

Ref. :
• muenzenwoche.de :   Der Befreiende: August der Jüngere und seine Glockentaler (3.2022)   im Netz
• Wolfgang Leschhorn : Die Glockentaler   in: Braunschweiger Münzen und Medaillen (Braunschweig, 2010)
    S.214-218
• Gerhard Welter :  Die Münzen der Welfen seit Heinrich dem Löwen (1971, Tafeln 1973)
• Emil Grössel :  Herzog August der Jüngere und seine Glockentaler,   GN Hft.101 (Mai 1984) S.153-157
• Johann David Köhler, Historische Münz-Belustigung, S.137-144, 4.Mai 1729   im Netz verfügbar
• Rehtmeiers Braunschweig-Lüneburgische Chronica, III. Tomus, abgeschlossen 1721.
• Wikipedia :   Wolfenbüttel, Residenz, Festung und Garnison
• Wikipedia :   Schwedendamm (zur Belagerung Wolfenbüttels 1627 und 1641)

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